Iran verhaftet Filmschaffende
Zwei Preisträger des Goldenen Bären im Gefängnis der Religionsführer
Der iranische Filmemacher Mohammad Rasoulof hat 2020 in Berlin mit seinem meisterlichen Spielfilm «There Is No Evil» (Doch das Böse gibt es nicht) den Goldenen Bären gewonnen. Nun wurde er zusammen mit seinem Kollegen Mostafa Al-Ahmad im Iran verhaftet und im Gefängnis Evin in Einzelhaft gesteckt, weil sie im Zuge eines gewaltsamen Vorgehens der Regierung eine Erklärung in den sozialen Medien veröffentlicht hatten. Gemäss der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA seien die beiden Regisseure festgenommen worden, weil sie unter dem Hashtag #put_your_gun_down einen Aufruf an die iranischen Sicherheitskräfte gepostet hatten, keine Waffen mehr zu benutzen, nachdem es im Mai in der südwestlichen Stadt Abadan zu Protesten und Zusammenstösen mit der Polizei gekommen war. Auslöser der Proteste war ein Gebäudeeinsturz, bei dem 41 Menschen ums Leben gekommen waren. Neben Mohammad Rasoulof haben mehr als siebzig weitere Filmschaffende den Aufruf gegen die Polizeigewalt unterzeichnet. Unter den Filmschaffenden, die sich nach ihm erkundigten, war auch Jafar Panahi, den die Behörden sogleich auch verhafteten und jetzt sechs Jahre Gefängnis absitzen lassen wollen, wie die TagesZeitung berichtet. Im Namen einer Religion wird denkenden Menschen die Freiheit genommen.
Mehr denn je empfiehlt es sich, ihre grossartigen Filme anzuschauen und die von Kulturschaffenden lancierte Petition zu unterzeichnen:
Eine Unterschrift für die Meinungsfreiheit: Petition
Die sehenswerten Filme gibt's auf filmingo:
TAXI TEHERAN von Jafar Panahi (Goldener Bär 2015)
THREE FACES von Jafar Panahi
A MAN OF INTEGRITY von Mohammad Rasoulof
MANUSCRPITS DON'T BURN von Mohammad Rasoulof
THERE IS NO EVIL von Mohammad Rasoulof (Goldener Bär 2020)
Einzelne Filme sind auch auf DVD erhältlich.
Kaveh Farnam und Farzad Pak, die beiden Produzenten von «There Is No Evil» haben die Freilassung der Verhafteten gefordert und schreiben: «Am Freitag, 8. Juli, wurden Mohammad Rasoulof und Mostafa Al-Ahmad, angesehene und engagierte iranische Filmemacher, in einem koordinierten und brutalen Angriff unter falschem Vorwand in ihren Wohnungen verhaftet und an einen unbekannten Ort gebracht. Wir verurteilen die Behörden aufs Schärfste für ihre Missachtung grundlegender Menschenrechte und bürgerlicher Freiheiten sowie für die anhaltende Repression und den Druck, der auf engagierte und unabhängige iranische Filmemacher ausgeübt wird, und fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung unserer Kollegen. Wir bitten um die Unterstützung von KünstlerInnen und Filmschaffenden in aller Welt für die Freilassung der inhaftierten Künstler.»
Die Reaktionen, denen wir uns hiermit anschliessen, liessen nicht lange auf sich warten. Mike Downey, Vorsitzender der European Film Academy und Mitbegründer der International Coalition for Filmmakers at Risk (ICFR), schreibt gemäss Variety: «Die Verhaftung von Mohammad Rasoulof und Mostafa Al Ahmad ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie die korrupten staatlichen und kommunalen Behörden einen einfachen Akt des Protests in eine Anklage wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung verwandeln.» Der offene Brief, den sie unterzeichnet hätten und in dem sie die Sicherheitskräfte aufforderderten, angesichts der Empörung über «Korruption, Diebstahl, Ineffizienz und Repression» im Zusammenhang mit dem Einsturz von Abadan «die Waffen niederzulegen», sei eine ehrliche Äusserung, die eine ehrliche Antwort verlangt. Stattdessen ist die einzige Antwort der Regierung Repression und Verhaftung. Wir fordern die iranischen Behörden dringend auf, die beiden Künstler unverzüglich freizulassen.»
Mohammad Rasoulof ist einer der profiliertesten Filmemacher der Gegenwart und eine der wichtigsten Stimmen nicht nur im iranischen Kino. Im Iran selber, wo von der religiösen Diktatur weder Kritik noch freie Meinungsäusserung geduldet werden, konnte er seine Filme bislang nicht öffentlich zeigen. Dies, obwohl er international grosse Anerkennung geniesst und 2011 mit «Goodbye» zwei Preise in Cannes gewann. Als Wertschätzung wurde der Filmemacher wegen «regimefeindlicher Propaganda» zu sechs Jahren Gefängnis und einem 20-jährigen Arbeitsverbot verurteilt. Die Strafe wurde später zur Bewährung ausgesetzt, Rasoulof wurde gegen Kaution freigelassen. 2017 beschlagnahmten die iranischen Behörden Rasoulofs Reisepass, als er vom Telluride Film Festival zurückkehrte, wo sein Film «A Man of Integrity» über Korruption und Ungerechtigkeit in Iran gezeigt worden war, nachdem auch dieser Film in Cannes gefeiert worden war. Bei der Berlinale 2020 durfte Mohammad Rasoulof seinen Spielfilm «There Is No Evil» nicht begleiten und auch nicht anreisen, um am Ende des Festivals den Goldenen Bären entgegenzunehmen. Baran Rasoulof, seine Tochter, die in einer der vier Erzählungen in «There Is No Evil» die Hauptrolle spielt, lebt im Exil in Hamburg und konnte den Preis entgegennehmen.
In einem Gespräch mit dem Berliner Tagesspiegel aus Anlass der Filmpremiere in Abwesenheit sagte Rasoulof: «Der Iran ist meine Heimat, das Land und die Kultur, die ich liebe. Hier leben mein Vater und meine Mutter, die Menschen, die mir am Herzen liegen. Natürlich würde ich gerne reisen, aber warum soll ich mir mein Grundrecht nehmen lassen, mich in meiner Heimat aufzuhalten? Abbas Kiarostami hat einmal gesagt, einen Baum könne man nicht verpflanzen. Meine Wurzeln sind und bleiben im Iran. Ich bin mit einem Film auf ein Festival eingeladen und fahre anschliessend nach Hause: Warum sollte ich weglaufen? Ich habe mir nichts zuschulden kommen. Wenn jemand das anders sieht und findet, ich müsste zur Strafe meiner Rechte beraubt werden, dann übernehme ich doch nicht in vorauseilendem Gehorsam dessen Arbeit.»
Auch die Berlinale protestiert gegen die Verhaftung und schreibt: «Die Internationalen Filmfestspiele Berlin haben mit Bestürzung von der Verhaftung der renommierten iranischen Regisseure Mohammad Rasoulof und Mostafa Al-Ahmad erfahren. Rasoulof hatte 2020 den Goldenen Bären für «There Is No Evil» (Doch das Böse gibt es nicht) gewonnen. In seinen Filmen setzt sich Mohammad Rasoulof mit der sozialen Situation in seinem Heimatland auseinander. Den beiden Regisseuren wird aktuell vorgeworfen, einen Aufruf gegen Gewalt vorbereitet zu haben. Die Berlinale setzt sich grundsätzlich für die Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst ein. Daher protestiert das Festival gegen die Verhaftung der Regisseure.» Das Leitungsduo Mariette Rissenbeck und Carlo Chatrian schreiben: «Wir sind besorgt über die Verhaftung von Mohammad Rasoulof und Mostafa Al-Ahmad. Es ist erschütternd, dass Künstler für ihren friedlichen Einsatz gegen Gewalt in Haft kommen. Wir fordern, dass die iranischen Behörden die beiden Regisseure umgehend freilassen.»
«Die Wahrheit», schrieb Leo Tolstoi in 'Krieg und Frieden', «muss sich ohne Gewalt durchsetzen.»
Weitere Informationen zu A Man of Integrity - Lerd
Weitere Informationen zu There is no Evil
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