L'éternité et un jour - Mia aioniotita kai mia mera

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Zum ersten Mal seit «Die Tage von 36» (1973) scheint in einem Spielfilm des Griechen Theo Angelopoulos wieder die Sonne. Sie erinnert in «Die Ewigkeit und ein Tag» umso intensiver an die Zeit des Glücks, die Jahre zurückliegt. Alexander nimmt Abschied. Der von Bruno Ganz über verschiedene Zeiten hinweg so gegenwärtig verkörperte Poet aus Saloniki hat noch einen Tag in dieser Welt vor sich. Und die Ewigkeit - wo auch immer.
Angesichts des Todes wird dem Schriftsteller das Unvollendete an der menschlichen Existenz so richtig bewusst. Und die Flüchtigkeit der Zeit. «Alles ist so schnell gegangen», stellt Alexander fest. Sie «hätte diesen Moment anhalten sollen wie man einen Schmetterling im Fliegen anhalten möchte», liest er in einem Brief seiner vor drei Jahren verstorbenen Frau. Jetzt besucht er noch einmal die Tochter, die Mutter und die Haushälterin. Jetzt nimmt er Abschied von Orten voller Erinnerungen und vom Gefühl, die Liebe im Leben verpasst zu haben beim Versuch, dem Leben in der Poesie näher zu kommen. Wie lange dauert das Morgen, hatte Alexander seine Frau gefragt. Und sie gab ihm zur Antwortet: Die Ewigkeit und einen Tag. Jetzt fragt uns ein Film, der ausserhalb der Chronologie der Zeit angesiedelt scheint und mitten aus der Gegenwart spricht, was wir denn aus dem einen Tag machen, der das Morgen täglich von der Ewigkeit trennt?
Theo Angelopoulos, der in den 1970er Jahren mit Meisterwerken des politischen Kinos Geschichte geschrieben hat («Die Wanderschauspieler», «Die Jäger») und sich in den 1980ern mit einer Trilogie des Schweigens dem Individuum annäherte («Reise nach Kythera», «Der Bienenzüchter», «Landschaft im Nebel»), fragt in diesem vielleicht persönlichsten Film, was denn die Dichter können in einer Welt, in der die grossen Utopien erloschen und die Grenzen gefallen sind und kleine, beengendere errichtet werden. Schwerelos führt uns die Kamera von Giorgos Arvanitis und Andreas Sinanos in den Zeitraum eines Lebens, sanft streicht sie mitunter Jahrzehnte zurück, lässt Vergangenes gegenwärtig werden, Gewesenes Teil sein von dem, was ist. Der Film führt uns die Flüchtigkeit der Zeit vor Augen, stellt Fragen nach dem Sinn des Schöpferischen und geht eng an Grenzen, die das Leben prägen: Die Mauern des Hauses, die Haut der Geliebten, die Bande der Familie, die Vereinigung im Widerstand, der Zaun ums Land, die fremde Sprache, schliesslich der Tod. Alexander ist an dieser letzten Grenze angelangt, und in der zufälligen Begegnung mit einem albanischen Flüchtlingsjungen wird er sich noch mehr bewusst, wie auch sein Leben Flucht war und Suche nach dem Vollkommenen. Dem Knaben erzählt er von einem Dichter, der im 19. Jahrhundert aus Italien in seine griechische Heimat zurückkehrte und die Sprache der Leute wieder lernen musste. Er hat den Menschen einzelne Wörter abgekauft, um mit ihnen seine Gedichte zu vollenden.
Die Lebenszeit ist bei Angelopoulos eine Art Flüssigkristall, der sich unmerklich zu immer neuen Bildern verformen kann. Fliessend sind bei ihm die Grenzen, lassen Zeit und Ort zu einer virtuellen Zone werden, in der alles jederzeit Gegenwart sein kann, das Gelebte, das Gesehene, das Erahnte. Zusammen mit seinem Drehbuchpartner Tonino Guerra sammelt Angelopoulos Schmetterlinge, deren Flattern uns den Sehsinn kitzelt. Da radeln drei Figuren in gelben Regenanzügen auf der Strasse vorbei. Sie haben keine Funktion in der Handlung aber Sinn im Filmgedicht. Denn jede der Velofiguren fährt in einer anderen Übersetzung, was bewirkt, dass zwar alle sich im gleichen Tempo bewegen aber mit unterschiedlicher Anstrengung durch Zeit und Raum kommen. Den Bus, in dem Alexander und der Junge gegen Ende zur Endstation fahren und noch einmal zurück, besteigen Figuren aus dem Leben. Und über die Musik und den Tanz nähert sich das Brautpaar, das über die unterschiedliche Herkunft auch zwei Welten eint.
Keiner beherrscht die Meisterschaft, in der Sprache der Filmzeit zu schreiben so bravourös wie Theo Angelopoulos. Seine sorgsam choreographierten Einstellungen öffnen uns den Sinn für die Zeit. In der Begegnung des Poeten mit dem Flüchtling macht er deutlich, wie Menschen auf der Flucht sind, die einen vor anderen, die anderen vor sich selber. Was kann er Poet ausrichten, fragt er. Er kann wahrnehmen, aufgreifen, verdichten, kann im Kino die Zeit auf Bilder bringen, der Zeit filmischen Raum geben. Am Ende bleibt alles Projektion. «Die Ewigkeit und ein Tag» ist ein Werk von einer leisen Melancholie, die auch die Melancholie des zu Ende gehenden Jahrhunderts aufgreift und uns sanft von einem Leben träumen lässt, in dem die schönsten Momente nicht immer aufgeschoben werden.

© Walter Ruggle

Festivals & Auszeichnungen

Cannes Film Festival 1998: Palme d'Or & Ecumenical Prize

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Credits

Originaltitel
L'éternité et un jour - Mia aioniotita kai mia mera
Titel
L'éternité et un jour - Mia aioniotita kai mia mera
Regie
Theo Angelopoulos
Land
Griechenland
Jahr
1998
Drehbuch
Theo Angelopoulos, Tonino Guerra, Petros Markaris
Montage
Yannis Tsitsopoulos
Musik
Eleni Karaindrou
Kamera
Giorgios Arvanitis, Andreas Sinanos
Ton
Nikos Papadimitriou
Kostüme
Giorgos Patsas, Giorgos Ziakas
Ausstattung
Costas Dimitriadis
Produktion
Theo Angelopoulos
Formate
35mm, DVD, Blu-ray, DCP
Länge
137 Min.
Sprache
Griechisch, Englisch, Italienisch/d/f
Schauspieler:innen
Bruno Ganz (Alexandre), Isabelle Renauld (Anna), Fabrizio Bentivoglio (Poet), Achileas Skevis (Kind - enfant), Alexandra Ladikou (Annas Mutter - mère d'Anna), Despina Bebedelli (Alexanders Mutter - mère dÂlexandre), Eleni Gerasimidou (Urania), Iris Chatziantoniou (Tochter - fille), Nikos Kouros (Onkel), Alekos Oudinotis (Vater - père), Nikos Kolovos (Doktor), Andreas Chekouras, Mihalis Giannatos, Petros Markaris, Yannis Mohlas

Pro Material

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