No te mueras sin decirme adónde vas
Der Filmtitel ist ebenso umständlich wie wunderbar melodiös. "No te mueras sin decirme adónde vas". Das heisst übersetzt: Stirb nicht, ohne mir zu sagen, wohin du gehst. Die Dialogzeile stammt aus dem Schlussteil von Eliseo Subielas Werk, und sie bringt ein menschliches Verlangen zum Ausdruck: Die Geliebte will wissen, wohin sich der Geliebte nach dem Sterben begibt. Das nächste Mal, sagt Rachel (Mariana Arias), sagst du ́s mir. Sie war eben noch aus dem Jenseits kommend in der Gedankenwelt von Leopoldo (Dario Grandinetti) aufgetaucht. Dieser beschäftigt sich in Beruf und Freizeit mit menschlichen Träumen: Als Kinooperateur führt er Filme vor. Daneben bastelt er an einem Gerät, das es ermöglichen soll, Träume auf Video aufzuzeichnen und so fassbar zu machen. "Recolector de sueños" (Traumkollektor) nennt er das hutähnliche Ding, das man sich überstülpen kann, um auf einem Bildschirm Träume sichtbar zu machen und sie auf Video aufzuzeichnen. Oder ist der Tagträumer Leopoldo seinerseits eine Traumfigur? Hat er sich aus einer früheren Existenz in die Zukunft geträumt?
Beim Argentinier Eliseo Subiela scheinen die Grenzen in den Wahrnehmungen fliessend. Über den Geist von Rachel schafft sein Film die Verknüpfung zwischen dem letzten Jahrhundert und heute, zwischen der Vergangenheit, in der das Kino erdacht wurde, und der Gegenwart, in der Kinos geschlossen werden. Rachel hat in ihrem letzten Leben einen jungen Mann namens William geliebt, und dieser war 1885 ganz versessen darauf, für seinen Chef Edison eine Maschine zu entwickeln, die die Leute rund um den Globus zur selben Zeit denselben Traum träumen liesse.
"No te mueras sin decirme adónde vas" ist denn auch übers Kino eine Liebeserklärung ans Leben. Rachel existiert für Leopoldo - und fürs Publikum, das sich zur Traumwelt aufgemacht hat. Sorgfältig sind die Tricks eingesetzt, die die Immaterialität der Frau zeigen, die ermöglichen, dass sie eine Strasse überqueren kann, ohne angefahren zu werden, dass Leo im Kino durch ihren Körper hindurch greifen kann. Rachel betont, dass sie ein Geist sei ("espiritu") und nicht ein Phantom (wie der Roboter). Als Geist wiederum kann sie über Dinge reden, die den Menschen schwerfallen, denn, sie spricht es einmal aus: "Wir haben kein Sprachenproblem." Im Geist sind alle gleich. Sie sagt auch, und sie versteht dies als Hinweis auf ein Defizit: "Die Menschen erinnern sich nicht mit der Seele, sie erinnern sich mit dem Kopf."
Walter Ruggle