Eu, tu, eles
Darlene Linhares kehrt nach einer enttäuschenden Liebeserfahrung mit ihrem Sohn aus der Stadt in die unendlich weite Landschaft bei Ceara im Nordosten Brasiliens zurück. Hier heiratet sie mit dem älteren Osias einen Mann, der ihr ein Haus bieten kann. Aber das Glück? Das muss sich die Landarbeiterin allmählich noch erobern. Bald schon ist sie überzeugt, dass kein Mann allein ihr alles geben könnte, was sie sich wünscht im Leben. Und so setzt sie ihre Träume in Wirklichkeit um, lässt sich von drei ganz unterschiedlichen Männern beglücken. Elena Soárez hat die wunderbare Geschichte geschrieben, Andrucha Waddington hat sie mit atemberaubender Kamera in die Landschaft hinein inszeniert. Leidenschaften prägen Darlenes Leben. Sie wird zur starken Frau, die sich ihre Lebensfreude selber holt und sich befreien will von allem, was ihr das Leben schwer machen könnte.
Humor und Passion sind Antriebsmomente in diesem lebensfrohen Film, der nicht nur in Lateinamerika grosse Publikumserfolge feierte und für den der legendäre Gilberto Gil die Musik geschrieben hat.«Einem starken Halbblut tut die Arbeit auf dem Feld gut», meint der alte Ehemann und Hausbesitzer Osias einmal. Den grössten Teil seiner Zeit verbringt er in der Hängematte liegend und Wünsche an die von ihm geehelichte Darlene anbringend. Er ahnt gar nicht, wie sehr er mit seiner Feststellung Recht haben könnte. Darlene erweist sich nämlich als eine in ihrer Situation ungemein erstarkende Frau, die sich als erste Zugabe Zezinho, einen verwitweten Vetter von Osias, ins Haus holt und beglückt. Ist Osias sozusagen der Besitzende, so zeigen sich beim zweiten Mann bald einmal die Qualitäten als Hausmann, der sich ums leibliche Wohl kümmert. Jetzt fehlt da noch das Körperliche, das Darlene im Feldarbeiter Ciro findet. Sie lacht ihn an und schafft ihn ebenfalls ins Haus. Alles mit voller Unterstützung des Gatten Osias, der in seiner Hängematte nicht ahnt, wie gut es seiner Frau geht. Bald scheint es ihr, bei aller Einfachheit des Lebens, an nichts mehr zu mangeln. Ja sie schafft gar das Kunststück, drei Männer und sich selber in einer Nacht zu beglücken.
Darlene ist eine Wucht. Brasiliens TV-Star Regina Casé lässt die Frau mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und erstarken in einer Rolle, die Elena Soárez ihr geradezu in den Körper geschrieben hat. Und Andrucha Waddington inszeniert die aus einer wahren Gegebenheit inspirierte Geschichte in die Landschaft hinein.
Um Antworten auf heikle Fragen ist die nebenbei auch noch äusserst fruchtbare Darlene nie verlegen. So präsentiert sie ihrem Mann ein dunkelhäutiges Baby mit der Beschwichtigung, «der wird schon noch heller». Zu seiner erfrischenden Liebes-komödie meint der Regisseur: «Sugar-Daddys mit mehreren Frauen gibt es ja häufig, und ich fragte mich, wie eine Frau in unserer Machokultur mit so einer Situation lebt.» Fein und sanft ist der Humor seines Filmes, der nicht umsonst zum grossen Publikums- und Kritik-Liebling am Festival des lateinamerikanischen Kinos in Havanna avancierte und dort mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde. Atemberaubend die Breitwandfotografie von Beno Silveira und beglückend die Musik von Brasiliens Altmeister Gilberto Gil. Kurz und gut: Ein Film, der wohl tut.
Walter Ruggle
Festivals & Auszeichnungen
Grosser Preis am Festival Havanna 2000
Grand prix Cinema Brasil 2001
Mention spéciale Un certain regard, Cannes 2000.
Credits
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Pressestimmen
«Bis vor Jahresfrist war der 1970 geborene Andrucha Waddington ausserhalb seines Heimatlandes Brasilien ein Unbekannter. Seither hat sich das gewaltig geändert, sein zweiter langer Spielfilm «Eu, tu, eles» wurde nicht nur an zahlreichen Festivals weltweit mit Preisen überhäuft, sondern kürzlich gar für den «Oscar» nominiert. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern und das lustvolle Spiel mit Rollenstereotypen scheinen Andrucha Waddington ungemein zu faszinieren. Die resolute Darlene (Regina Casé) steht nach einer enttäuschten Liebe mit ihrem Kind alleine da. Um wenigstens ein gesichertes Dach über dem Kopf zu haben, heiratet sie den phlegmatischen, aber gutmütigen Osias (Lima Duarte), einen Mann, der altersmässig ihr Vater sein könnte. Das Ganze spielt sich in einem gottverlassenen Kaff im brasilianischen Nordosten, in der ausgedörrten Landschaft des «Sertão», ab. Was wie eine bedrückende Sozialstudie beginnt, wandelt sich bald einmal zum hintersinnigen Kinospass, als die lebenslustige junge Frau erst ein Verhältnis mit einem Verwandten von Osias, dann auch noch mit einem jungen Landarbeiter beginnt und diese beiden Liebhaber ganz selbstverständlich in der gemeinsamen Hütte einquartiert.»
Luzerner Zeitung
«Es gibt Filme, die sind wie prächtige Bildbände. Sie verstricken nicht nur in Erzählungen von grosser Liebe und kleinem Alltag – sie breiten auch eine Welt vor unseren Augen aus, die uns buchstäblich mit auf Reisen nimmt. «Eu, tu, eles» ist so ein Film. In ausladendem Cinemascope entfaltet er atemberaubende Ansichten des Sertão im Nordosten Brasiliens und taucht uns in malerische Bilder von warmem Ocker und lichtem Blau. Gleich zu Beginn bietet sich das überwältigende Panorama der kargen Steppe, einer von der Sonne vergilbten Landschaft, die von einem weiten Himmelsgewölbe überragt wird. Der Anblick ist umso überraschender, als wir mit der Hauptfigur Darlene aus dem Dunkel der engen Hütte ins gleissende Tageslicht der Einöde treten. (...) Dabei ist die eindrückliche Topografie nicht nur gefällige Kulisse, sondern eigenständige Akteurin, die ihre Figuren umfängt und das Terrain für ihr Handeln legt. Das ist nichts Neues: Der Sertão hatte schon im Cinema novo eine Hauptrolle inne – als sich in den Sechzigern eine engagierte Filmergeneration dem eigenen Land und seinen Problemen zuwandte. Damals postulierte der Regisseur Glauber Rocha eine «Ästhetik des Hungers», worin er die Armut Lateinamerikas als Essenz seiner Gesellschaft und als «Originalität» deklarierte, die von den Filmen aufzugreifen war. Unter anderem im Sertão. (...) Waddington porträtiert diese eigenwillige Ménage-à-plusieurs mit spröder Sinnlichkeit, wenig Worten, dafür mit viel Augenzwinkern. Und wird darin unterstützt vom Meister des Tropicalismo, Gilberto Gil, der mit seinen sanften Musikkompositionen einen heiteren Grundton für dieses zeitlose Liebesepos schafft.»
Solothurner Zeitung
«Ein solcher Stoff lässt erfahrungsgemäss zwei Ausstaltungsmöglichkeiten zu: Entweder den derben Schwank, der den gehörnten Ehemann oder die ertappten Ehebrecher dem Gespött preisgibt, oder aber die blutige Tragödie. Um jemanden richtig vorzuführen, besitzt «Eu, tu, eles», der gemächlich inszenierte Festivalerfolg des brasilianischen Regisseurs Andrucha Waddington, bei allem Humor doch zu viel Respekt vor seinen Figuren. Die werden ausnahmslos von hervorragenden Darstellern gespielt, aber Regina Casé überstrahlt sie alle. Nicht gerade ein makelloses Covergirl, macht sie in der Rolle der erotisch souveränen Darlene völlig plausibel, warum drei Männer sie auf keinen Fall verlieren wollen. (...) Das Utopischste an dieser märchenhaften Story ist aber der Umstand, dass sie auf einer wahren Geschichte beruhen soll.»
Tages-Anzeiger
«The legendary Brazilian songsmith Gilberto Gil supplies the score for this reality-based comedy, in which an independent-minded woman decides that if one live-in husband doesn't fulfill her needs, she can always add more.»
The New York Times