Touki Bouki
Es sind immer wieder die Kinder und Jugendlichen, die im afrikanischen Kino die Hoffnung auf eine bessere Zukunft vertreten. Das ist in diesem Klassiker des Kinos, den wir in neuer Kopie als Reedition herausbringen, nicht anders. Mory und Anta träumen davon, nach Paris ins «verheissene Land» zu gehen, das Josephine Baker besungen hat. Er ist Viehhirte, doch seine Herden wurden zum Schlachthof geführt. Seitdem treibt sich Mory mit dem Motorrad, das er zum Andenken an seine Zebus mit zwei Hörnern verziert hat, in der Stadt herum. Anta ist eine junge Studentin, die ebenfalls am Rande der Gesellschaft lebt. Liebe ist der einzige Reichtum der beiden, und so entschliessen sie sich, alles zu unternehmen, um das nötige Geld für ihre Reise zusammenzubringen.
Ein witziger Film über die romantische und aufregende Jugend in Senegal, vor allem aber auch eine politisch und sozial weitsichtige Reflexion über das Exil. Nicht so sehr durch seine vielbeachtete formale Eigenwilligkeit besticht dieser Film, sondern vielmehr durch seine politische und soziale Weitsicht. Auf seiner Reise in eine bessere Zukunft, die er in Paris zu finden glaubt und die am Hafen von Dakar endet, erkennt Mory, dass die Annahme einer fremden Identität nie zu einer eigenen führen kann. Mit der Besinnung auf seine eigenen Wurzeln leitet er einen Selbstfindungsprozess ein.
«Djibril Diop Mambéty nimmt damit eine Erkenntnis vorweg, die später für die Eigenständigkeit vieler afrikanischer Menschen und Nationen zentrale Bedeutung erhält», notierte die Zeitschrift Zoom. Sowohl inhaltlich als auch formal war Touki Bouki seiner Zeit weit voraus. Mit abrupten Montagen, optischen Effekten, nicht linearer Erzählweise, Unterbrechungen und scheinbaren Paradoxien versteht es Mambéty, die Gefühlsverfassung seiner Protagonisten eindringlich zu schildern. Wie so viele nachfolgende Filme handelt Touki Bouki von einer der Grundfragen in Ländern des Südens: Hier bleiben oder weggehen? Mambétys Touki Bouki müsste nicht nur gesehen haben, wer sich mit dem Kino des Südens ernsthaft befassen will. Es sei dies, hat Max Annas geschrieben, der spürbare Versuch, den stärksten Film zu machen, den die Welt je gesehen hatte. Radikal wie ein Glauber Rocha als brasilianischer Wesensverwandter pocht Mambéty auf die eigene filmische Ausdrucksform. In Wolof, der Sprache Senegals, bedeutet Touki Bouki soviel wie «Die Reise der Hyäne». Auf Wiedersehen in anderen Welten.
Festivals & Auszeichnungen
Cannes 1973
Prix de la critique Internationale
Internationales Filmfestival Moskau 1973
Prix spécial du Jury
Credits
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Pressestimmen
«Touki Bouki est une œuvre à part, libre et insolent, éclatant de joie et empreint d‘une sourde mélancolie.»
Le monde
«Touki Bouki von Djibril Diop Mambéty handelt aus der Perspektive des Senegal von Paris und entwirft mit seinen Farben, seinen Brüchen, seinen kühnen Protagonisten eine afrikanische Neue Welle, die das französische Subventionskino danach gründlich entschärft hat.»
Frankfurter Allgemeine Zeitung
«Touki-Bouki (le voyage de la hyène), c'est le désir d'évasion, c'est aussi la peur du changement, et c'est finalement le mouvement dans l'immobilité, et le rêve éveillé. Ce jeune berger qui a perdu son troupeau n'a plus l'art de jouer de la flûte pour le rappeler ; alors il accepte qu'une jeune étudiante vienne le rejoindre pour quitter ensemble le pays. Ils iront jusque sur le bateau mais ne partiront pas. Une autre nouveauté, pour ne pas dire un bouleversement, viendra de Touki-Bouki. Un film qui fit couler beaucoup d'encre à sa sortie. C'est que le sujet et l'écriture sortaient de l'ordinaire cinématographique sénégalais qu'étaient la confrontation des cultures, la modernité et la tradition, la critique sociale et l'exode rural. Djibril Diop bouleverse les données d'une syntaxe bien sage, sinon conventionnelle. Le film vaut d'abord par son style allègre, altier, irrévérencieux, plein d'invention et de désinvolture.(...) Dans Touki-Bouki, tout est allégorique, marqué du sceau des symboles à références bien africaines, mais mal perçues parce qu'inconnues. Touki-Bouki, c'est le désir d'évasion, c'est aussi la peur du changement, et c'est finalement le mouvement dans l'immobilité, et le rêve éveillé.»
Paulin Soumanou Vieyra, Le Cinéma au Sénégal
«Ein Film, über den bei seiner Uraufführung viel Tinte vergossen wurde. Thema und Machart entsprachen nicht dem üblichen senegalesischen Filmschaffen, das sich damals vor allem mit der Konfrontation der Kulturen, mit Modernität und Tradition, Sozialkritik und Landflucht befasste. Djibril Diop bringt die Elemente einer braven, wenn nicht gar konventionellen Syntax völlig durcheinander. Der Film zeichnet sich insbesondere durch seinen fröhlichen, selbstsicheren, respektlosen, erfindungsreichen und ungenierten Stil aus. [...] In Touki-Bouki ist alles allegorisch, geprägt von Symbolen mit afrikanischen, doch kaum wahrgenommenen, da unbekannten Bezügen. Touki- Bouki ist der Wunsch auszubrechen, aber auch die Angst vor Veränderungen und schliesslich die Bewegung in der Unbeweglichkeit, der Tagtraum.» Paulin Soumanou Vieyra, in Le Cinéma au Sénégal
«Nicht so sehr durch seine vielbeachtete formale Eigenwilligkeit besticht dieser Film, sondern vielmehr durch seine politische und soziale Weitsicht. Auf seiner Reise in eine bessere Zukunft, die er in Paris zu finden glaubt und die am Hafen von Dakar endet, erkennt Mory, dass die Annahme einer fremden Identität nie zu einer eigenen führen kann. Mit der Besinnung auf seine eigenen Wurzeln leitet er einen Selbstfindungsprozess ein. Djibril Diop Mambety nimmt damit eine Erkenntnis vorweg, die später für die Eigenständigkeit vieler afrikanischer Menschen und Nationen zentrale Bedeutung erhält.»
Zoom
«Touki Bouki, Djibril Diop Mambétys Spielfilm-Debüt von 1973, inszeniert den Verlust der Unschuld als Initiationsritual, als tollkühnen Amoklauf zwischen Trance und Dürre, Gewalt und Magie, Archaik und Moderne. Easy Rider und À bout de souffle verblassen zu Stillleben dagegen. Touki Bouki schildert eine Reise, die nie angetreten wird.»
Christiane Peitz, Die Zeit
«Ein mitreissender, vielschichtiger, aus allen Nähten platzender Entwurf zur Faszination des schwarzen Kontinents für die Versprechungen der westlichen Welt. Das schlägt sich auch im wirbelnden Stil des Autodidakten Mambéty nieder: Touki Bouki, Wolof für ‹Die Reise der Hyäne›, kombiniert Noir und Nouvelle Vague, Komödie und Sozialkritik, ist ein Gegenpol zum grossflächigen Ausverkauf im zeitgleichen Blaxploitation-Kino: Die Bilanz mag bitter sein, die Inszenierung aber sagt ‹anything goes›.»
Österreich. Filmmuseum Wien
«Im letzten Drittel des Films tritt der politische Kern Touki Boukis zutage. Denn Mambétys Film ist mehr als nur eine filmtechnische Fingerübung oder ein poetisches Experiment. Die Aussagen, die das Werk über die senegalesische Gesellschaft trifft, sind komplex, oft mehrdeutig und aus europäischer Sicht – vor allem mit einem zeitlichen Abstand von dreissig Jahren – kaum auch nur ansatzweise zu entschlüsseln. Doch einige Analogien sind nicht zu übersehen. Der Schlachthof aus der Anfangssequenz beispielsweise taucht am Ende noch einmal auf und wird mit einem in Richtung Europa abreisenden Schiff gegengeschnitten. Eines ist am Ende des Filmes klar: die Zukunft Senegals liegt nicht in Paris. Sondern in Senegal.»
Lukas Foerster, critic