El corazón de Jesús
Jesús Martinéz ist ein Beamter in La Paz, der eines Tages mit einem Infarkt hospitalisiert wird. Genesen sieht er sich vor einem neuen Problem: Nicht nur die Frau hat ihn mitsamt dem Geld verlassen, auch die Versicherung will nicht bezahlen. Dafür will es der Zufall, dass ein anderer seines Namens ins Spital muss. Eine Komödie ums Leben in versichertem Umfeld.
Die bolivianische Andenstadt La Paz ist gewiss kein alltäglicher Ort für eine Kinogeschichte. Umso schöner, dass uns diese leichte Komödie um einen, der sich um sein Geld betrogen fühlt und mit allerletzter Konsequenz den Rückbetrug angeht, endlich auch Gelegenheit bietet, etwas von der spektakulär und einzigartig gelegenen Stadt zu zeigen. In dieser Stadt lebt ein Mann namens Jesús. Er arbeitet seit vielen Jahren beim Finanzministerium, Sorte Büroangestellter, der entweder mit einem Herzinfarkt vom Stuhl kippt oder mit einem Früchtekorb in Pension entlassen wird.
Der bolivianische Regisseur Marcos Loayza war bereits mit seinen Kurzfilmen aufgefallen. Hier in seinem dritten Spielfilm inszeniert er ein kleines Schelmenstück in die Stadt La Paz und ihre Krankenzimmer. Gesundheit und Krankheit sind einander oft erschreckend nahe. Loayza sucht über das Herz Jesu gewissermassen die Herzen seines Publikums. Er meint, dass die obskursten Zonen im Leben oft auch jene sind, in denen sich die kräftigsten Lichter zeigen. Der Regisseur hat seine Komödie wie eine klassische Sonate gestaltet und dabei auf die Musik des populären Sängers Ismael Serrano gesetzt, der jeden der fünf Teile musikalisch einleitet. Er zeigt uns über seine gespielte Krankheitsgeschichte, wie auch in einem armen Land wie Bolivien gelacht werden kann über das Leben und die Tücken seiner Bewältigung, und dass man weder den Mut noch die Ideen verlieren soll im Leben. Im Film spielt einer den Kranken, um zum Leben zurückzukehren. El Corazón de Jesús ist denn auch beim ganzen schwarzen Humor von einer Liebe zum Leben geprägt und von einer Herzlichkeit im besten Sinn.
Walter Ruggle
Credits
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Pressestimmen
Das ist hinreissendes, unterhaltsames Kino, gleichzeitig aber auch kulturelle Brücke in eine der ärmsten Regionen der Welt.
Der Bund, Fred Zaugg
Der Blick von Marcos Loayza ist wie immer von Liebe und Ironie geprägt, doch ist es diesmal eine Ironie, die in bitterschwarzem Kaffee getränkt scheint.
Ramon Rocha Monroy, Schriftsteller
Mit El corazon de Jesus etabliert sich ein junger Regisseur, der mit dem Können der Veteranen dreht - ein Silberstreifen am bolivianischen Kinohimmel.
La Prensa
"Le film est un récit fidèle et légitime sur la société dans laquelle nous devons vivre. Car d'une façon ou d'une autre, chacun d'entre nous a 'le coeur de Jesús'."
La Prensa
"Mit einer extragrossen Portion schwarzen Humors verwandelt Regisseur Marcos Loayza diese Geschichte über Krankheit und Todesangst in eine lustige, lebensbejahende Farce."
Sie+Er
"El corazon de Jesus ist gleichzeitig eine rabenschwarze Parabel auf das von Krisen geschüttelte, harte Leben in Bolivien - einem der ärmsten Länder der Welt - sowie unterhaltsames, äusserst menschliches Kino."
Facts
«Wenn man sich in einer Komödie mit schwarzem Humor bewegt, kann man ohne seine moralische Abwehrhaltung oder seine Ängste in einen Dialog treten mit dem Zuschauer und sich so jenen Dingen annähern, die zu den wich-tigsten gehören im Leben ? ja, man kann auf diese Art sogar ganz locker die Frage nach dem Sterben stellen.»
Marcos Loayza
MAGAZIN TRIGON HEFT 29
©Brigitte Siegrist
Aus Bolivien erreichen uns nicht alle Tage neue Filme. Umso erfreulicher ist es, dass der Filmemacher Marcos Loayza hier eine Komödie aus der Andenstadt La Paz vorlegt, die nicht nur eine amüsante und leicht kurlige Geschichte aus dem Alltag erzählt, er spiegelt in ihr auch ein Stück gesellschaftliche Befindlichkeit in einem Land, das sich einiges an Turbulenzen gewohnt ist. Und er zeigt mit einem Schmunzeln: Es gibt ein Leben vor dem Tod.
Eigentlich wissen wir es alle: Das Leben ist Glückssache. Was heute noch in bester Ordnung scheint, kann morgen als Trümmerhaufen vor uns liegen. Kündigung, Trennung, Unfall – manchmal ist es eine Frage von wenigen Sekunden. Bei Jesús Martínez dauert es einen kurzen Spitalaufenthalt lang. Das Herz im Vorspann schlägt so regelmässig wie Jesús’ Leben. Seit Jahren erscheint er tagein tagaus im Büro des Finanzministeriums und sitzt seine Stunden ab. Ebenso in Takt stellt man sich sein Privatleben vor. Doch eines Morgens geschieht es: Das zentrale Organ streikt, und Jesús wird auf der Notfallstation eingeliefert.
Erstaunlich schnell erholt sich der Sechzigjährige von der Attacke und will nichts weiter, als seinen gewohnten Trott fortsetzen. Wenn ihm der Arzt alles verbietet, was zuvor seinen Alltag verschönerte, so ist dies nur ein Vorgeschmack auf das, was ihn zu Hause erwartet. Seine Frau verlässt ihn, nicht ohne das gemeinsame Sparkonto davor zu plündern. Sie ist während seiner Abwesenheit auf den Geschmack von mehr Freiheit gekommen und zieht ein Leben ohne ihren Jesús vor. Am nächsten Tag erhält dieser Besuch vom Spitalbuchhalter: Da ist noch sein Aufenthalt in der Klinik zu begleichen, die bescheidene Summe von 80 Monatslöhnen ist gefragt. Auch hier zerschlägt sich die letzte Hoffnung schnell: Die Versicherung zahlt keinen Boliviano, weil der Versicherte dummerweise eine Klausel übersehen und seinen Herzinfarkt nicht rechtzeitig gemeldet hat! So ziemlich alles liegt im Argen, als er sich eines Papiers entsinnt, das ihm in diesen Tagen zugestellt wurde und das die Wende einleiten könnte. Es war die Diagnose aus dem Spital für einen Patienten mit dem Namen Jesús Martínez. Diagnose: Krebs im Endstadium.
Marcos Loayza hat es in einer Einstellung vorweggenommen: Es gibt noch einen zweiten und zwar todgeweihten Jesús Martínez. Unser Jesús ist inzwischen sauer genug auf die unsichere Versicherung, um allfällige moralische Bedenken gar nicht erst aufkommen zu lassen und dort erneut vorzusprechen. Unter seinem richtigen, hier aber falschen Namen kündet er fristgerecht und mit schlagkräftigen Analysen seine neuerliche Einweisung an. In einem Land wie Bolivien ist die Tatsache, dass man krank ist, noch lange keine Garantie für ein Spitalbett. Schliesslich findet Jesús aber im Sterbepavillon des Spitals eine Bleibe. Dort sorgen die absurde Situation an und für sich, die kurligen Figuren und ein leiser Dialogwitz für komische Momente.
Ein gesunder Mensch landet im Sterbesaal: Der Filmemacher Marcos Loayza hat ein aussagekräftiges Bild gefunden, um über den Sinn des Lebens jener Menschen zu sprechen, die an der Schwelle zum neuen Jahrtausend in einem so armen Land wie Bolivien leben. Jesús freilich beweist durch seine ihm eigene Beharrlichkeit, dass dies noch lange nicht das Ende bedeutet und die Hoffnung zuletzt stirbt. Es gelingt ihm, die sich häufenden Besuche von den Verdacht schöpfenden Versicherungsleuten und anderen Existenzen, die wie Geier über dem Sterbepavillon kreisen, mit immer neuen Ausreden abzuwimmeln, zunehmend bessert sich auch seine Laune und er verbreitet damit Zuversicht und Lebensfreude unter den wirklich Kranken. Jesús befreit dabei die Menschen nicht von ihrem tragischen Schicksal, aber Marcos Loayza zeigt, dass sich auch in den schwierigsten Lebenssituationen so etwas
wie Alltag einstellt, und dass, wenn der Mensch gegen Schicksalsschläge ohnmächtig scheint, ihm durchaus die Freiheit bleibt, damit so oder anders umzugehen. So wird im Sterbesaal auch mal Hochzeit gefeiert oder eine Nacht lang durchgezockt.
Ein Herz für Jesús
Cacho Mendieta, in Bolivien bisher aus dem Volkstheater bekannt, verkörpert den stoischen und gewitzten Jesús überzeugend. Sein schauspielerisches Talent äussert sich in einem subtilen Mimik- und Gestikspiel. Melita del Carpio als Krankenschwester Beatríz versteht diese Sprache und tritt mit ihm in einen leisen Dialog, der sich bald zu einer glaubwürdigen Liebesgeschichte entwickelt. Schon wieder gerät Jesús’ Herz aus dem Rhythmus. Auch sonst wird seine Lage immer brenzliger, die unangenehmen Besucher geben sich die Türklinke in die Hand und das Täuschungsmanöver gipfelt in einer herrlich montierten Szene, in der Loayza in zwei parallel geführten Telefongesprächen das Verwechslungsspiel auf die Spitze treibt. Jesús ist eingekreist, doch hartnäckig und schlau wie er ist, vermag er den Kopf ein entscheidendes Mal aus der Schlinge zu ziehen und aufersteht – in einer dritten Existenz.
Dieses neue Lebensgefühl nun drückt Loayza in einer Einstellung aus, in der er ein anfangs Film aufgetauchtes Element wieder aufnimmt: Den Ballon in Herzform, mit dem die Arbeitskollegen Jesús gute Genesung wünschten, trägt nun ein fröhlich hüpfendes Mädchen im Park. Ohne die Freunde, die Jesús im Sterbesaal gefunden hat, wäre seine Rettung undenkbar gewesen. Bei aller Kritik, die Loayza mit seinem Film gegenüber den Mechanismen und Behörden seines Landes aufwirft, zeigt er auch, wo Hoffnung und Kraft liegen: In der ausgeprägten Solidarität der kleinen Leute, gegen die, haben sie sich einmal verbündet, kein Staat zu machen ist. Loayzas Erzählstruktur ist linear, mit allwissendem Blick beschreibt er mehr oder weniger chronologisch Jesús’ Abstieg in die Unterwelt und seine phönixartige Auferstehung.
Er findet dabei einen Rhythmus, der dem Lebensalltag im Andenstaat durchaus entspricht. Nicht gehetzt, aber in stetem Andante führt er die Komödie dem Höhepunkt zu. Diesen Rhythmus bricht Loayza mit einem gewagten Schritt, indem er den Erzählfluss durch Bühnenauftritte des in Lateinamerika sehr populären Liedermachers Ismael Serrano bewusst ins Stocken bringt. Mit Gitarre und Stimme schafft Serrano einen poetischen und inhaltlichen Übergang von Kapitel zu Kapitel. Ein Mittel aus dem epischen Theater, das das Stück in eine dramatische Handlungsebene und in eine Erzählerebene aufspaltet. Die Handlung wird verfremdet und der Zuschauer, die Zuschauerin vom Geschehen distanziert. Die Wirkung solle, so Brecht in seinen Schriften zum Theater, in «der Aufgabe der Illusion zugunsten der Diskutierbarkeit» bestehen. Will heissen, dass uns Loayza nur zeitweise ins Filmgeschehen eintauchen lässt, um uns immer wieder vor Augen zu halten: das ist die Tragikomik Boliviens aber auch des Lebens, sind doch in den Überleitungen elementare Themen unseres Daseins angesprochen: der Tod, die Vernunft, das Absurde, erneute Vernunft und erneutes Sterben. Erinnert das nicht auch ein bisschen an das Stirb und Werde einer jeglichen Existenz?
Tod eines Bürokraten wäre ein Titel für diese schwarzhumorige Komödie, doch den Titel trägt schon eine andere Groteske, nämlich ein Meisterwerk des kubanischen Regisseurs Tomás Gutiérrez Alea. Während in dessen Geschichte ein Toter zum Leben erweckt wird, weil die Behörden vor lauter Paragrafen keinen Ruheplatz für ihn finden, macht die Figur in Loayzas Spielfilm den umgekehrten Weg und tritt als Lebender den Weg zu den Toten an. Es wird wohl kein Zufall sein, dass Loayzas Spielfilm leise an kubanische Werke anklingt, die des Öfteren ihr komödiantisches Spiel mit dem Tod treiben, hat er doch die Filmschule in Havanna absolviert.