Hanezu no tsuki

von Naomi Kawase, Japan, 2011

Gängige Geschichten hat die Japanerin Naomi Kawase noch nie erzählt. Sie setzt bei den Realitäten an, die sie in ihrer Heimatregion findet, und entwirft daraus zum Beispiel eine Liebesgeschichte. Diese spielt sich nicht nur um drei Menschen ab, die Natur wirkt da mindestens so prägend. Kayoko ist Textilfärberin und lebt mit dem Werber Tetsuya zusammen, der seine Leidenschaft in der Kochkunst auslebt. Der Dritte im Bunde ist Takumi. Er fertigt Holzskulpturen und lebt abgeschieden im Grünen. Man weiss nicht, wie lange das Dreiecksverhältnis andauert, aber ein dramatisches Element bringt es in Bewegung: Kayoko ist schwanger. Dies eröffnet sie ihrem Liebhaber nach einem Nachmittag voller Sinnlichkeit, als gehöre es zum Abschiedsgruss. Ein visuelles Gedicht über die Liebe, die Leiden schafft.

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Verliebte Natur
Die Ménage à trois ist oft auf der Leinwand abgehandelt worden. Doch wenn Naomi Kawase sich dem Stoff annimmt, ist alles anders. Die Liebeskonstellation beschränkt sich hier nicht auf die ihr innewohnende Dramatik. Sie ist eingebettet in eine höhere Ordnung, die uns umgibt und überdauert: die Natur, die Zeit, die Ahnen. Das vertieft den Einblick in die eigene Existenz. Auf Kameraebene setzt Naomi Kawase dies konsequent kontemplativ um. Das Bild vermittelt Eindrücke und Empfindungen, die Worte allein nicht zu fassen vermögen oder die Menschen nicht auszudrücken imstande sind. Und weil die Japanerin die Natur über alles stellt und ihr Zeit lässt, sich zu entfalten, wird der Film zu einer erbaulichen Meditation, auch wenn die erzählte Geschichte um drei übers Eck sich Liebende zunächst eine dramatische ist.

Japan’s Sonne ist rot, doch auf ihrer täglichen Reise taucht sie das Land in die verschiedensten Farbnuancen. Der Begriff «Hanezu no tsuki»» meint denn nicht einfach nur rot, sondern rot in all seinen Schattierungen, das Rot, das in seiner Intensität die Anfälligkeit birgt, leicht zu verblassen oder eben das Rot des Mondes (no tsuki). Die Erzählung ist in der Asuka-Region angesiedelt – einerseits die Geburtsstätte des heutigen Japans, andererseits Kawases eigener Herkunftsort und Lebensmittelpunkt.

Zwei männliche Berge kämpfen um die Liebe eines weiblichen Berges – damals wie heute. Die erzählte Geschichte im Heute wird deckungsgleich mit der Legende – und ist doch wandelbar. Den Blick in die Tiefe betreibt Kawase auch über das Festhalten der Natur. Sie ist einfach da, damals wie heute, markiert die Kontinuität innerhalb des Wandels. Wie sie das inszeniert, ist schlicht grandios und grandios schlicht. Schon in den ersten Einstellungen entpuppt sich die Natur als die eigentliche Hauptdarstellerin. Menschen sind am Ernten, aber man muss sie regelrecht erspähen zwischen den Pflanzen. Blattgrün beherrscht die Leinwand. Wie sich der Salat am besten und gesündesten zubereiten lasse, wird diskutiert. Als würde Kawase sagen: Die Natur umhüllt uns, die Natur nährt uns, die Natur bildet unseren Lebensrahmen.
Brigitte Siegrist

artwork

Credits

Originaltitel
Hanezu no tsuki
Titel
Hanezu no tsuki
Regie
Naomi Kawase
Land
Japan
Jahr
2011
Drehbuch
Naomi Kawase, Masako Bando (Roman)
Montage
Naomi Kawase, Tina Baz
Musik
Hashiken
Kamera
Naomi Kawase
Ausstattung
Kenji Inoue
Produktion
Naomi Kawase
Formate
DVD, Blu-ray, DCP
Länge
91 Min.
Sprache
Japanisch/d/f
Schauspieler:innen
Tôta Komizu (Takumi), Tetsuya Akikawa (Tetsuya), Kirin Kiki, Taiga Komizu, Akaji Maro, Norio Nishikawa, Miyako Yamaguchi, Yokio Yoshioka, Hako Ohshima (Kayoko)

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Pressestimmen

«Naomi Kawase ist eine Bildmagierin. Sie liebt die mystische Natur und das Verweisen auf Wirklichkeiten hinter der realen Oberfläche.» Charles Martig, Mediendienst

«Regisseurin Naomi Kawase sucht in bestechenden Bildern die Konstante im unaufhaltsamen Fluss des Lebens.» Film demnächst

«Da ist dieser seufzende Berg, ein prasselnder Regen und eine rot schimmernde, untergehende Sonne, schön und sinnlich: ein Erzählrhythmus, der an das Ein- und Ausatmen bei der Meditation denken lässt, sanft und mühelos.» Kultur.Woche, Susanne Ruckstuhl

«Ein leiser Film voller Stärke.» Radio DRS, Michael Sennhauser

«Gängige Geschichten hat die Japanerin Naomi Kawase noch nie erzählt. Sie setzt bei den Realitäten an, die sie in ihrer Heimatregion findet, und entwirft daraus zum Beispiel eine Liebesgeschichte.» 20minuten

«Das sorgfältig inszenierte Drama ist ein handwerklicher Genuss.» Eduard Ulrich, Cineman

 «Kawase ruft mit ihrem filmischen Schaffen die Grösse der Natur und somit die Zerbrechlichkeit des Menschen wieder in Erinnerung. „Eigentlich könnte man sagen, dass die Menschen in meinem Film eine Nebenrolle spielen“, sagt sie. Mit dieser subtilen Botschaft macht die Regisseurin Hanezu no tsuki zu einem hoch aktuellen Film, der ganz ohne Pomp und Oberflächlichkeiten auskommt.» Asienspiegel

«Die Regisseurin Naomi Kawase erzählt eine Dreiecksgesschichte, nicht effekthascherisch, sondern sehr ruhig.» Züritipp

«So erweist sich die Natur als eigentliche Hauptdarstellerin in dieser feinfühligen Suche nach den Konstanten in einer Welt des stetigen Wandels. Die Bilder vermitteln Eindrücke und Empfindungen, die Worte allein nie zum Ausdruck bringen könnten. Hier umkreist eine Mystikerin ihre unsichtbaren Orte und nimmt uns mit in eine filmische Meditation.» Charles Martig, Mediendienst

«So entsteht ein schlichtes und sinnliches, haptisches Kino, das durch den Gebrauch einer leichten, digitalen Handkamera aus einer persönlichen, intimen Perspektive gefilmt scheint.» Filmbulletin

«Inszeniert ist dies alles schlicht grandios und grandios schlicht.» Hanspeter Stalder, Der andere Film

 «Das Subjekt in Kawases Film – so scheint es – ist das Publikum, das durch die Nähe unvermittelt ins Geschehen einbezogen wird.» Catherine Silberschmidt, WoZ

«Selten ist ein Film so erdverbunden und zugleich derart vergeistigt, so fragil und gleichwohl bodenständig wie Hanezu, selten auch kommt ein Drama so unendlich gelassen daher und ist gleichzeitig so zutiefst erschütternd.» 451°

 «Ihr Film ist eine Meditation zum Thema Begegnung und Menschsein in der Natur.» MovieNews, Arthouse

 

«Für ihren Wettbewerbsbeitrag Der Wald des Abschieds hätte Naomi Kawase von mir schon 2007 die goldene Palme bekommen. Die ging dann an Cristian Mungiu, Kawase erhielt immerhin den Grossen Preis der Jury. Jetzt sind wir wieder so weit: Auch ihr jüngster Film ist für mich ein coup de coeur – und wieder wird sie es schwer haben. Nicht nur darum, weil das Festival ihren Film gleichzeitig programmiert hat wie Pater von Alain Cavalier. Sondern vor allem, weil Hanezu no tsuki im Prinzip das Gleiche versucht, wie Terrence Malick mit seinem Tree of Life. Eine poetische Annäherung an das menschliche Drama der Liebe seit Urbeginn der Welt. Aber wo Malick zu überwältigen sucht, singt Kawase ein leises Lied.» Radio DRS, Michael Sennhauser
«Hanezu est un film d'une fragilité bouleversante, une ode à l'harmonie de l'homme avec la nature, à la circulation des signes, des affects, des esprits entre le passé et le présent.» Le Monde, Isabelle Regnier
«La cuisine participe des trésors que Naomi Kawaze entend transmettre aux prochaines générations. Le cinéma japonais a l’art d’aiguiser l’appétit. O légumes extraordinaires qui rissolent dans Still Walking d’Hirokazu Koreeda, ô la tranche de jambon que la maman pose sur le bol des enfants dans Ponyo de Miyazaki. - Takumi jette dans le wok une mirepoix multicolore, touille et voilà un potage aux nouilles plein de senteurs étranges, feuilles de chrysanthème ou de tomates. Les dîneurs rendent grâce à la nourriture comme le film rend grâce à la beauté du monde.» Le Temps, Antoine Duplan 
«One of Japanese director Naomi Kawase’s more inscrutable offerings, Hanezu is a mysterious, slow-paced cinematic poem that weaves together many of the director’s favourite themes - the pressure of the past on the present; Japanese myth and legend, especially as it relates to the spirit of a place; man’s connection with nature, and nature’s produce; love’s intimate connection with suffering and loss.» Screen International
«C’est ce territoire versifié de fictions sédimentées dans des flux et reflux de sang et de poussière que la caméra alerte de Kawase fore une fois encore avec une douceur totale. Attentive à la répétition des rituels et des savoir-faire, elle embrasse ces existences réglées depuis mille ans, dénouant peu à peu les histoires de filiations trouées de chacun. - Kawase demeure cette cinéaste infiniment précieuse qui filme le mieux l’averse, le vent de la montagne, la nostalgie de ces temps enfuis que l’on n’a pas vécus.» Libération
«Die Natur spielt in Naomi Kawases Filmen immer die Hauptrolle. So auch in "Hanezu", einer tragisch verlaufenden Dreiecksliebe, die in den Bergen der Nara-Region spielt. Kawases Geburtsort ist zugleich Wiege der Japanischen Kultur - Eine Fundgrube voller Mythen, die Tonfall und Rhythmus ihrer Geschichte vorgeben. Kawases kontemplativer Stil sticht aus dem diesjährigen Wettbewerb heraus: langsamer und meditativer als sie vermochte bisher niemand zu erzählen.» Arte
«Hier umkreist eine Mystikerin ihre unsichtbaren Orte und nimmt uns mit in eine filmische Meditation.» Charles Martig, Mediendienst
“Beautifully made. A passionate reverence for nature, combined with a delicately romantic and even subtly erotic love story.” The Guardian