Meres tou 36
Zensur ins Bild geschrieben
Sofianos, ein ehemaliger Spitzel der Polizei, wird verhaftet und nimmt sich im Gefängnis eine Geisel. Die Handlung um diese Geiselnahme und die Versuche, ihn zum Aufgeben zu bewegen oder zu vergiften, scheitern. Es braucht einen Scharfschützen, der die Sache erledigt. Mit dem zweiten Spielfilm Tage von 36 eröffnet Theo Angelopoulos seine grosse und einzigartige historische Trilogie. Er blickt zurück aus der Zeit der Diktatur von 1967 in jene von 1936, um die Mechanismen zu betrachten, die ein Land in den Zustand einer Diktatur bringen.
Der Grieche konzentriert sich hier auf einen historischen Moment, um den gegenwärtigen Zustand in seinem Land zu demaskieren. Ein Klimafilm par excellence, der zeigt, wie einer, der fürs System gearbeitet hat, sich immer mehr in Kompromisse und Widersprüche verstrickt und selber zum Gefangenen des Systems wird. Mit seiner Geiselnahme fordert er die Politik heraus. Je nach dem wie sie sich entscheidet, verliert sie die Unterstützung von rechts oder der Mitte und damit ihren Halt. Die einzige Lösung, die ein derart geschwächter und verunsicherter General noch sieht, ist ein Putsch, die Errichtung einer faschistischen Herrschaft. Mitten in der Diktatur legt Theo Angelopoulos die Mechanismen offen, die zur Diktatur führen.
Meres tou 36 gehört zusammen mit den frühen Filmen eines Carlos Saura (La prima Angélica) oder den Filmen Andrej Tarkowskis (Andrej Rubljow) zu den Meisterstücken einer kritischen Analyse in einem Umfeld von unterdrückter Kultur. Alles, was relevant ist für die Zensur, spielt sich in diesem Film hinter ausserhalb des Bildrahmens. Das Publikum versteht. Es liest die Zensur mit.
Walter Ruggle
Festivals & Auszeichnungen
Cannes Film Festival Directors’ Fortnight
Berlin Film Festival 1973: FIPRESCI Award,
Thessaloniki Film Festival 1973: Best Director, Best Cinematography