Wilaya

Fatimetu, Kind einer Sahraui-Familie, wird in einem Sahara-Flüchtlingscamp in Algerien geboren und später als kleines Mädchen zu Gasteltern nach Spanien geschickt. Nach dem Tod ihrer Mutter kehrt sie zu deren Beerdigung in das Camp zurück. Inzwischen sind 16 Jahre sind vergangen, hat sie sich ans Leben in Spanien gewöhnt, ja sie kennt fast nichts Anderes. Der Bruder erwartet, dass sie nun bleibt und sich fortan um ihre gehbehinderte Schwester Hayat kümmert. Sie selber ist verunsichert, scheint zu spüren, dass sie von hier stammt, zu wissen, dass sie an ein anderes Leben gewohnt ist und zu wünschen, dass sie etwas zur Besserung der Situation der Menschen hier leisten kann.

Im Gegensatz zu den anderen Frauen im Camp kann Fatimetu Auto fahren, und so beschäftigt sie sich fürs Erste damit, dass sie Tiere, Fleisch und Brot vom einen Verwaltungsbezirk zum anderen transportiert. Nach und nach scheinen sich die Sahraui an die Frau zu gewöhnen und zu akzeptieren, dass sie unverhüllt in ihrem alten Jeep durch den Wüstensand braust. Doch Fatimetu ist hin- und hergerissen zwischen dem Leben in der Wüste und den Erinnerungen an Familie und Freunde in Spanien. Der Schwebezustand, in dem sie sich selber befindet, kann für den Zustand der Menschen im Camp stehen, die von hier sind, aber sich nur wenig bewegen können, weil die Situation ihres Volkes eine ungewisse ist, ein jahrelanger Schwebezustand schon. Man hat ihnen den Boden genommen, sie haben gekämpft und warten.

In der grossartigen Landschaft der Wüste, in dieser immensen Leere, in der anderes wichtiger wird als das, was unseren Alltag in Europa prägt, hier wirkt alles verlangsamt, scheint alles aufs schiere Menschsein reduziert. Der Spanier Pedro Pérez Rosado, der die Situation der Sahrauis bestens kennt und dokumentiert hat, nähert sich ihnen in Wilaya in Form eines Spielfilm, in dem er über die Heimkehrende einen Bogen nach Spanien spannt, zur ehemaligen Kolonialmacht. Im ersten Moment mag es erstaunen, dass in diesem Film so viel Spanisch gesprochen wird, aber diese Sprache ist gängig und hat mit der Vergangenheit zu tun.

Der Spanier will uns mit seinem Film vor Augen führen, dass die Situation hier in der Sahara eine unhaltbare ist. Die maurische Volksgruppe der Sahraui wartet in Algerien noch immer auf ein Referendum, das ihren völkerrechtlichen Status definiert. In ausgesprochen poetischen, konzentrierten Bildern zeigt Pedro Pérez Rosado viel mehr als nur die Wiedervereinigung zweier unterschiedlicher Schwestern oder den Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen: Er lässt Menschen aus der Sahara selbst von ihrer politischen und gesellschaftlichen Situation erzählen. Er lässt uns teilhaben an ihrem Alltag im Camp, an den kleinen Fluchten auf die immensen Dünen etwa, wo die ganze Welt hinter dem Sand verschwunden ist und die beiden Frauen allein sind.

Beeindruckend sind die Aufnahmen, die Kameramann Oscar Duran in diesen Weiten gemacht hat, die uns selbst die Trockenheit in der Luft spüren lassen, mitunter den Sand zwischen den Zähnen und vor allem auch den Rhythmus des Lebens hier, wo Eile ein Fremdwort ist weil Eile einen nicht weiter bringt. Besonders eindrücklich erscheint die Figur der Schwester Hayat, die wie andere auch sich selber spielt und über die Dokument und Fiktion sich am intensivsten berühren. Zur Situation der Sahrauis gehört es, dass jemand wie die lebensfrohe Hayat kaum Chancen auf eine angemessene ärztliche Betreuung hat, auch das zeigt Rosados Film. Der Blick Hayats bleibt in Erinnerung, das Bild der beiden Schwestern auf der Düne, die Hoffnung, dass es bald einmal einen Ausweg aus ihrer Situation gibt.

artwork

Credits

Originaltitel
Wilaya
Titel
Wilaya
Regie
Pedro Pérez Rosado
Land
Westsahara
Jahr
2012
Drehbuch
Pedro Pérez Rosado
Montage
Iván Aledo
Musik
Aziza Brahim
Kamera
Oscar Duran
Ton
Carlos de Hita, Guillermo Solana
Kostüme
Wanda Morales Slaska
Ausstattung
Carlos Ramón
Produktion
Wanda Vision
Formate
Blu-ray, DCP
Länge
88 Min.
Sprache
Saharaui, Spanisch/d/f
Schauspieler:innen
Nadhira Mohamed, Memona Mohamed, Aziza Brahim, Ainina Sidameg, Ahmed Molud

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Pressestimmen

«Mit überwältigenden Bildern und wenigen Worten erzählt der spanische Regisseur Pedro Pérez Rosado die Geschichte zweier Schwestern, in deren Personen unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen. Durch das persönliche Schicksal der beiden jungen Frauen schildert er in seinem ersten Spielfilm die politische und gesellschaftliche Situation des Sahara-Volkes auf eindringliche Weise.» 3sat

«Diskret und ohne Hast wird die Annäherung an ihre jüngere, gehandicapte Schwester erzählt. Pérez’ Film Wilaya aber liefert kein Exempel über die Macht, welcher Wurzeln auch immer. Fatimetu sieht einfach, was zu tun ist, und entkommt den Fallen der geschlossenen Gemeinschaft mit einer ganz eigenen Würde. Ein Film von grosser Schönheit, die nicht nur der bekanntermassen fotogenen Wüste geschuldet ist.» Christina Bylow, Frankfurter Rundschau

«Terrific widescreen cinematography!» Hollywood Reporter