Journey to the Sun - GĂĽnese Yolculuk

Originaire d'Izmir, Mehmet travaille à Istanbul depuis deux mois et vit une belle histoire d'amour avec Arzu. Après un match de football, Mehmet est poursuivi par des supporters qui le prennent pour un Kurde. Dans sa fuite, il tombe sur Berzan, natif du Kurdistan turc. Avec sa peau basanée, Mehmet, victime du délit de faciès, est injustement emprisonné puis libéré, mais portera à jamais les stigmates de l'exclusion. Totalement dépassé par les événements, il reçoit l'aide de son ami Berzan pour survivre dans la bouillonnante Istanbul. Histoire d'amitié au-delà du racisme, cinéma-vérité, road-movie initiatique, le film-événement du Festival de Berlin 99 offre une vision d'artiste sensible et audacieuse.

"Selon moi, il est possible pour deux hommes d'origines différentes de vivre ensemble en toute amitié. On parle beaucoup de la Turquie, des droits de l'homme, mais le racisme est un phénomène qui ne connaît pas de frontières." YeČ™im UstaoÄźlu

Festivals & prix

Berlin Film Fest, 1999: Blue Angel- Best European Film Award, Heinrich Böll Peace Award, John Templeton Award

Istanbul Film Fest, 1999: Best Film, Best Director, Fipresci Award, Public Award

Ankara Film Fest, 1999: Best Film, Best Director, Best Script, Best Photography Award

Troya Film Fest, 1999: Jury Award

Valladoid Film Fest, 1999: Jury Award

Sao Paolo Film Fest, 2000: Jury Award


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Fiche technique

Titre original
Journey to the Sun - GĂĽnese Yolculuk
Titre
Journey to the Sun - GĂĽnese Yolculuk
RĂ©alisation
Yesim Ustaoglu
Pays
Turquie
Année
1999
Scénario
Yesim Ustaoglu
Montage
Nicolas Gaster
Musique
Vlatko Stefanovski
Image
Jacek Petrycki
Son
Frederick Helm, Christian Gotz
Production
Silkroad
Formats
35mm, DVD, Blu-ray, DCP
Durée
110 min.
Langue
TĂĽrkisch, Kurdisch/d/f oder i
Interprètes
Newroz Baz (Mehmet), Nazmi Qirix (Berzan), Mizgin Kapazan (Arzu), Ara GĂĽler (Mehmets Chef), Nigar Aktar, Iskender Bagcilar

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Organisation

Revue de presse

Mit Poesie gegen den Staatsterror

Mit "Reise zur Sonne" bringt die junge Regisseurin Yesim Ustaoglu kurdische Bilder auf die Leinwand. Der wichtigste politische Film aus der Türkei seit den legendären Arbeiten von Yilmaz Güney.

"Reise zur Sonne" ("Günese Yolculuk") beginnt mit einer Spiegelung in einer Istanbuler Pfütze. Nur undeutlich ist zu erkennen, dass jemand etwas verstaut. Im zweiten Teil des Films löst sich das Rätsel auf: Der junge Türke Mehmet (Newroz Baz) schiebt einen schlecht gezimmerten Holzverschlag in einen zuvor geklauten Kleinlaster. Im Verschlag
befindet sich Berzan (Nazmi Qirix), ein Kurde, ermordet an einer Demonstration für politische Gefangene. Vom Leichenschauhaus fährt Mehmet quer durch die Türkei in die Zone, die gemäss türkischer Sprachregelung "Südostanatolien" heisst. Unweit der irakischen Grenze schiebt er den Sarg mit Berzan in einen See.

Zwischen diesen drei Schlüsselbildern erzählt die 39-jährige Regisseurin und gelernte Architektin Yesim Ustaoglu zunächst von einer fast stummen Freundschaft, die so unverhofft begonnen hat, wie sie endet. Nach einem Fussballspiel in Istanbul gerät Mehmet in die Hände einer Horde nationalistischer Hooligans und entkommt diesen dank Berzans Hilfe knapp. Beide werden abwechslungsweise von der Polizei gesucht. Der Türke Mehmet wegen seiner dunklen Hautfarbe, die an Kurden aus dem Osten des Landes erinnert, der Kurde Berzan, weil er einen Hungerstreik im Istanbuler Aussenquartier Ümraniye unterstützt.

Vor diesem Hintergrund taucht Ustaoglu in der ersten Filmhälfte in den Moloch Istanbul ein. Wir sehen den Überlebenskampf, die Gelgenheitsjobs der beiden Freunde und ihre zart angedeuteten Liebesbeziehungen. Berzan etwa hat seine im Dorf zurückgebliebene Frau nur als Bild und Schild auf seinem rollenden Kassettenstand bei sich. Nur schon diese Szenen aus dem Innenleben der 12-Millionen-Stadt, fern jeglicher Tourismusromantik, machen den Film sehenswert.

Dass "Reise zur Sonne" in der Türkei überhaupt entstehen konnte, erstaunt. Denn aus dem sozialkritischen Stadtfilm wird in der zweiten Hälfte ein beklemmendes Roadmovie, und nachdem die Misshandlungen im Istanbuler Polizeigewahrsam angedeutet worden sind, rührt der Film erst recht an Tabus, für deren Darstellung schon etliche Kultur Schaffende im Gefängnis landeten: den Kurdenkonflikt und die Kulturgüterzerstörung durch das Elektrizitäts- und Bewässerungsvorhaben "Südostanatolienprojekt" (GAP). In der Konfrontation mit diesen Themen wird aus dem zu Beginn naiven Türken Mehmet schliesslich quasi ein Kurde, weil auch er zusehends gesellschaftlich geächtet und
verfolgt wird.

Doch eben: Nie ist Ustaoglus Kritik explizit, die Dialoge der Protagonisten sind sparsam. Allein die Bilder scheinen wirklich zu sprechen. Ein blutrotes X etwa zieht sich als wiederkehrendes Motiv durch den Film. Es prangt auf Hausmauern in Kurdistan und bereits an Türen in Istanbul, hinter denen Mehmet arbeitet: eine Warnung der türkischen Rachebrigaden, einer Todesschwadron.

Ustaoglus Kamera hat der Pole Jacek Petrycki geführt, ein ehemaliger Mitarbeiter von Kristof Kieslowski. Er schafft es, selbst aus dem gigantischen Müllhaufen am Rande der Grossstadt einen optischen Lichtblick zu machen. Menschen, klein wie Käfer, wühlen im Dreck nach Verwertbarem, scharf beobachtet von streunenden Hunden und
kreischenden Möwen. Der Müllhaufen befindet sich im Istanbuler Aussenquartier Kemerburgaz, einem ähnlich trostlosen Ort wie Ümraniye, wo vor ein paar Jahren eine explodierende Mülldeponie mehrere Menschen in den Tod riss und wo im Film auch Berzan zu Tode geschlagen wird. Doch wie die unaufdringliche Bildsprache, so
funktioniert die ganze Dramaturgie des Films: Die Hinweise auf die sozialen Missstände am Bosporus sind unzweideutig. Dennoch verdichten sie sich nicht zum Pamphlet, sondern zum berührenden Plädoyer für Menschlichkeit jenseits von ethnischer Zugehörigkeit.

Die Jungregisseurin knüpft mit ihrer Vorgehensweise an das Filmschaffen von Yilmaz Güney an, etwa an dessen "Sürü" ("Die Herde") von 1979. Nur geht ihre Reise in die entgegengesetzte Richtung. Es sind hier nicht mehr Bauern, die vom Land in die Stadt ziehen - das klassische Motiv vieler ökonomisch unterentwickelter Länder -, sondern in der Stadt Gestrandete, die zurückkehren aufs Land. Je weiter weg von Istanbul sich die Reise zur Sonne bewegt, desto langsamer wird denn auch der Rhythmus, desto beklemmender aber auch die Bilder. Vom Kleinlaster über einen holprigen Eisenbahnwagen zum Eselswagen. Die Fahrt in den entfernten kurdischen Osten führt vorbei an
vom Krieg zerstörten Dörfern, vorbei an halb versunkenen Weilern, bis zum Reiseziel, das nicht mehr ist: Zorduç, die Heimat von Berzan, tot wie dieser, versunken in den Fluten eines Stausees.

Der letzte Fingerzeig gilt übrigens auch der Schweiz. Denn das fiktive Zorduç erinnert an die früher im Film vorkommende Kleinstadt Hasankeyf an der Biegung des Tigris, der einzigen anatolischen Siedlung aus dem Mittelalter, die fast unversehrt erhalten geblieben ist. Unweit dieser Stadt wollen Sulzer Hydro und ABB Schweiz es fluten lassen. Was Panzer und Flugzeugstaffeln nicht geschafft haben, soll dank dem riesigen Ilisu-Staudamm vollbracht werden, finanziert von der UBS und abgesichert durch die Schweizer Exportrisikogarantie.

Die Rollen hat Ustaoglu wie der 1984 verstorbene Güney vorwiegend mit Laienschauspielern besetzt. So etwa mit dem 21-jährigen Newroz Baz, dem die Rolle des Mehmet wie auf den Leib geschnitten ist. Schüchtern und direkt zugleich, gibt er im Film ein Abbild seines wirklichen Lebens. Dadurch entsteht grosse Unmittelbarkeit. Newroz wurde in seinem noch jungen Leben schon viele Male verhaftet. In Wahrheit Kurde aus Tunceli, engagiert er sich wie der andere Hauptdarsteller in der Film- und Theatergruppe des Mesopotamischen Kulturvereins Istanbul. Ein Verein, dessen Lokale die Behörden schon mehrmals geschlossen haben, wegen angeblicher Sympathien für die PKK. So
überrascht es auch nicht, dass Newroz und andere Darsteller unmittelbar nach der Rückkehr von der Berlinale im vergangenen Frühjahr vorübergehend im Gefängnis landeten. "Reise zur Sonne" gewann in Berlin den Blauen Engel für den besten europäischen Film über ein brisantes aktuelles Thema sowie den Friedensfilmpreis der Heinrich-Böll-Stiftung.

Tages-Anzeiger, 19.8.99


Zur Diskussion und zum politischen Hintergrund des Films

Zwei Themen springen bei der Betrachtung des Films ins Auge:

1. die Chancen von Solidarität und Freundschaft in einer repressiven Gesellschaft sowie

2. die Folgen der türkischen Politik für die nationale Identität insbesondere der jungen Generation.

Beide Themen sind nicht losgelöst vom politischen Kontext zu erörtern. Nach den Unabhängigkeitskampf gegen das Osmanische Reich war den Kurden im Vertrag von Sèvres ein eigener Staat in Aussicht gestellt worden. Im Vertrag von Lausanne 1923 wurden diese Versprechungen jedoch revidiert. Beim Versuch, eine einheitliche Nation zu schaffen, wandte sich der Gründer der Republik, Kemal Atatürk, gegen Autonomiebestrebungen seiner kurdischen Mitkämpfer mit dem bis heute wiederholten Satz: "Nur Türken leben im Vaterland Türkei". Kurdisch, eine dem persischen Farsi verwandte Sprache, wurde zuerst als Amtssprache, nach mehreren Aufständen schließlich ganz verboten. Ihr privater Gebrauch wird seit dem Sprachengesetz 1991 nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Folter ist seit 1838 verboten, wird jedoch trotzdem angewandt. Im Kampf gegen die kurdische Widerstandsbewegung PKK hat die türkische Regierung seit Mitte der 80er Jahre über verschiedene Provinzen den Ausnahmezustand verhängt. Mehr als 4000 Dörfer sollen seither zerstört, die Bevölkerung vertrieben worden sein. Die Zahl der Opfer wird mit 30 000 bis 40 000 angegeben. Türkisches Militär und PKK werfen sich gegenseitig "Terrorismus" vor. - Hungerstreiks gab es in den türkischen Gefängnissen vom Sommer 1997 an als Protest gegen die Prozess- und Haftbedingungen.

Solidarität im Umgang mit Freunden, aber auch gegenüber unbekannten Menschen durchzieht den Film wie ein roter Faden. Im Kontrast dazu wirken Menschen, die sich der Hilfsbereitschaft verweigern, weil sie "keinen Ärger haben" wollen, z.B. Mehmets Zimmergefährten und sein erster Arbeitgeber, wie seelische Krüppel. Staatliche Ausgrenzung setzt Solidarität außer Kraft, indem sie Unschuldige stigmatisiert und straffreier anonymer Verfolgung preisgibt. Das rote "X" an den Türen erinnert deutsche Zuschauer an das "J" und den gelben Stern für Juden in der Zeit des Nationalso-zialismus. Doch anders als dort ist die Ablehnung hier nicht total: Der ausgestoßene Junge, der nachts frierend in der Gosse hockt, wird noch von einer mitleidigen Hure angesprochen, auch wenn sie vor allem auf sein Fernsehgerät spekuliert. Der vom Hilfesuchenden Bedrängte gar - wie der Leichenwärter und der Portier - läßt sich, wenn auch nicht völlig selbstlos, breitschlagen. In einer Gesellschaft, die ohne gegenseitige Hilfe gar nicht überleben könnte, erscheint Bestechlichkeit in einem anderen Licht.

Spontane Solidarität ist das einzige Band, das selbst 'Feinde' wie Soldaten bzw. Polizisten und Zivilisten noch miteinander verbindet. Sie überbrückt selbst Unterschiede durch Herkunft und Religion. Das gilt auch für Frauen: In der Auseinandersetzung mit verständnislosen Erwachsenen gewinnt die in Deutschland geborene Arzu in ihrer Arbeitskollegin Semra, einer durch ihr Kopftuch als traditionell ausgewiesenen jungen Frau, eine stille treue Helferin.

Als Fundament der Solidarität mit den Lebenden und mit den Toten erweist sich die Religion. Eine wichtige Etappe seiner Reise mit dem Sarg bewältigt Mehmet nur, weil eine alte Frau ihren widerstrebenden Mann an seine Pflicht als Moslem erinnert. Der mitgeführte Sarg verleiht Mehmet einen gewissen Schutz und ein Anrecht auf Hilfe, das auch von der militärischen Obrigkeit respektiert wird. Diese archaische Pietät ist Ausdruck einer um Humanität ringenden Gesellschaft, die die Würde des Einzelnen zumindest im Tod achtet, selbst wenn sein Leben nicht viel gilt.

Der Film "Reise zur Sonne" deckt schließlich das Dilemma eines Staatswesens auf, das über dem unversöhnlichen Kampf gegen politische Gegner die eigene Bevölkerung verliert. Yesim Ustaoglu macht am Beispiel eines völlig unbedarften Jungen und eines verliebten Mädchens nachvollziehbar, wie Ungerechtigkeit und Terror Widerstand herausfordern. Der Film rät nicht zum aktiven Kampf - Berzan äußert sich gegenüber einer Sympathisantin pessimistisch: "Sie kriegen uns alle!" Mehmets gewaltloses Handeln (das sich mit dem Wechsel der Haarfarbe unmittelbar nach Berzans Tod ankündigt) ist meilenweit entfernt von dem seines kurdischen Freundes, aber sehr wirksam, weil es nicht zu greifen ist.

In einer Schlüsselszene des Films zerbricht darüber das heiligste Gut der modernen Türkei, die nationale Identität. Eben noch hat sich der junge Mann gegenüber dem als Anhalter mitgenommenen Polizisten als 'Mehmet Kara aus Tire' zu erkennen gegeben. Als er aber nach der nächtlichen Begegnung mit drohend aufgebauten Panzern im Zug weiterfährt, nennt er gegenüber einem Landsmann, einem jungen (und über seinen Einsatz unglücklichen) Wehrpflichtigen, Zorduc seine Heimat. Dabei erwähnt er einen Freund namens Mehmet aus Tire wie ein Relikt aus der Vergangenheit.

Der Filmschluß mag pathetisch erscheinen: Mehmets lächelnd entspanntes Gesicht, mit dem er am Stausee dem unter der Abendsonne versinkenden Sarg nachschaut, steht, aller Ungewißheiten zum Trotz, für das Prinzip Hoffnung. Daß der Filmtitel an das internationale Gewerkschaftslied erinnert, "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!", ist kein Zufall.

Dr. Dorothea Schmitt-Hollstein
EZEF-Arbeitshilfe Nr. 147