Beshkempir

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Man hat den Begriff Poesie schnell einmal zur Hand, wenn einem die Worte ausgehen beim Betrachten eines Filmes. Im Fall von "Beshkempir" von Aktan Abdikalikow kann man gar nicht anders als von reiner Poesie zu reden, von einer Sanftheit der Erzählung, von einer Sinnlichkeit der Bilder, von einer Nähe am Wesen des Lebens, der Natur, der Liebe. "Beshkempir" ist nicht nur der erste Spielfilm von Aktan Abdikalikow, es ist auch die erste Produktion, die in der ehemaligen Sowjetrepublik Kirgisien, dem heutigen Kirgisistan, seit ihrer Unabhängigkeit gedreht wurde. Eine wahre Entdeckung, die in ihrem visuellen Bewusstsein an grosse Stummfilme erinnert oder an eine der schönsten Liebesgeschichten des Kinos, an die Verfilmung von Dschingis Aitmatows Roman "Dshamilja".

Abdikalikow beginnt mit der Fahrt über einen gewobenen farbenfrohen Teppich, und mit ihm vergleichbar webt er sein stimmungsbetontes Bild des Dorfes, der Jugend und der in ihr keimenden Liebe. Sinnlich ist sein Film in jeder erdenklichen Beziehung. Das Auge wird verwöhnt von einer rar gewordenen Schwarzweissfotografie, in der vereinzelte Farbtupfer umso intensiver aufscheinen. Das Ohr taucht ein in den Klangteppich, den die Natur da ausbreitet. Grosses Formenbewusstsein und visuelle Pracht führen auch zu indirekter Sinnlichkeit: Man fühlt das erdene an den Fingerspitzen, wenn die Jungs sich im Lehm suhlen, man riecht den Duft der Blüten, wenn das umschwärmte Mädchen den Hain herunter kommt, man fühlt das Herzklopfen, wenn der Junge sich im Kino dem Mädchen nähert.

Walter Ruggle

Festivals & Auszeichnungen

Hauptpreise in Locarno (Silberner Leopard), Grosser Preis am Festival von Montreal; Bester Film, Festival Cottbus; Publikumspreis Wien.

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Credits

Originaltitel
Beshkempir
Titel
Beshkempir
Regie
Aktan Abdykalykow - Arym Kubat
Land
Kirgisistan
Jahr
1998
Drehbuch
Aktan Abdikalikow, Avtandil Adikulow, Marat Sarulu
Montage
Tilek Mambetowa
Musik
Nurlan Nischanow
Kamera
Hassan Kidiraliew
Produktion
Kirgisfilm/Noé Productions
Formate
35mm, DVD
Länge
82 Min.
Sprache
Kirgisisch/d/f
Schauspieler:innen
Mirlan Abdikalikow (Beshkempir), Albina Imashewa, Adir Abdikalikow Bakit, Bakit Djilkchiew, Djilkchiew Mirlan, Cinkozoew Talai Mederow

Pro Material

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Pressestimmen

«Beshkempir beschwört die Aitmatowschen Menschengeschichten. Der Kirgise Aktan Abdikalikow übt mit Gefühlen Zurückhaltung und erzählt den Reifeprozess mit elementarer Poesie, die ganz selbstverständlich von Frühliungslicht durchleuchtet wird.»
Berliner Zeitung

«Die Balance zwischen Unter- und Überspanntheit findet traumwandlerisch der Kirgise Aktan Abdikalikow mit seinem Erstling «Beshkempir», der die Krise eines Jungen vom Lande beschreibt, als sich herausstellt, dass der Junge ein Findelkind ist. Abdikalikow entwickelt seine Geschichte aus einer lockeren Reihe vorpubertärer Streiche, in denen das Thema  des Aussenseitertums von Anfang an anklingt. Eine existenzielle Dimension nimmt dieses Thema unversehens an, als die ersten Erfahrungen von Liebe und Tod miteinfliessen. Auch der ernsteren Phase bewahrt Abdikalikow die Leichtigkeit einer archaisch-bildhaften Erzählweise. Während andere psychologisieren und dramatisieren würden, beobachtet er die ländliche Selbstregulierung mit der Gelassenheit ungebrochenen Weltvertrauens und flicht unbekümmert symbolhafte Farbbilder ins Schwarzweiss ein. «Beshkempir» ist einer der raren Filme, wo man noch Vogelstimmen und den Wind in den Bäumen hört. Vielleicht ist auch das der einfache Grund, warum er dem Westler so erholsam erscheint.»
Tages-Anzeiger

«1998 war am Filmfestival von Locarno die «erste Kinoproduktion aus dem unabhängigen Kirgistan» zu sehen – und Regisseur Aktan Abdikalikow konnte gleich mit dem Silbernen Leoparden nach Hause reisen. Er hätte gar Gold verdient, denn er weiss mit eindrücklichen Bildern eine Geschichte zu erzählen, die geheimnisvoll fremd ist und einnehmend vertraut zugleich: «Beshkempir» heisst Adoptivsohn, ein Junge im Dorf erfährt, dass er ein solcher ist, und wird dadurch zum Aussenseiter. Doch die Liebe weist ihm den Weg zurück. Wie einfach. Und wie schön.»
Sonntagszeitung

«Die Bilder fungieren eher als Schaustücke, die auf eindrückliche Weise das ursprünglichste Potenzial des Mediums nutzen: eine (fremde) Welt zu projizieren und die Zuschauer direkt hineinzuversetzen. Die Natur scheint in poetischer Verklärung zu erstrahlen, doch vielleicht ist sie bloss natürlich, die Menschen scheinen in ethnographischer Perspektive analysiert, doch vielleicht sind sie einfach nur menschlich. Aus ihrer Unmittelbarkeit und Echtheit schöpfen diese Bilder ihre grösste Kraft. Dass die Eingriffe des Filmemachers dabei fast in Vergessenheit geraten, ist indes nur Beweis für den gekonnten Umgang Abdikalikows mit seinem Material und seinen Schauspielern – der junge Azate wird übrigens von seinem Sohn gespielt. Die Tonspur ist eine feine, atmosphärische Mischung aus Vogelstimmen, Blätterrauschen und Momenten der Stille. Farbige Einstellungen intensivieren und durchbrechen immer wieder den mehrheitlich in Schwarzweiss gedrehten Film. Einfache Bilder wie die der Kinder, die in einer Lehmgrube spielen, sich gegenseitig mit Schlamm bedecken und so in Mimikry in der kirgisischen Erde verschwinden, sind ebenso schön wie vieldeutig. Und rührend ist auch der Abschluss der Initiationsgeschichte, wenn Azate die Umschwärmte endlich zu einer Fahrt auf dem Fahrrad einlädt, zuvor jedoch den Gepäckträger abmontiert, weil sie so auf der Stange zwischen seinen Armen Platz nehmen muss. Wenn «Beshkempir» wie ein Film aus einer anderen Welt wirkt, dann hat das einen guten Grund: Er ist es.
Till Brockmann, Neue Zürcher Zeitung