Madeinusa
In den peruanischen Anden
Madeinusa ist der Name eines 14-jährigen India-Mädchens, das in einem Dorf in den peruanischen Anden lebt. Am Osterfest darf es als «Heilige Jungfrau» den Umzug durchs Dorf anführen. Aus Lima kommend strandet Salvador im Dorf und beobachtet das Treiben. Allmählich entsteht Zuneigung zwischen den beiden, und Madeinusa muss eine schwierige Entscheidung treffen.
In ihrem ersten Spielfilm verwebt Claudia Llosa, eine Nichte des Schriftstellers Mario Vargas Llosa, virtuos Fiktion und Wirklichkeit. Sie beobachtet das Leben der DorfbewohnerInnen (die teilweise sich selber spielen) mit dokumentarischem Blick, hat aber die vorkommenden Rituale zwar erfunden und inszeniert, sich darüber aber umso intensiver der inneren Wahrheit angenähert. Die Stärke des Films liegt im Narrativen. Eine schöne und originelle Szene deckt zum Beispiel auf, was es mit dem Vornamen der Protagonistin auf sich hat. Als sie sich dem Fremden hingibt, erblickt sie das Etikett im Pullover des jungen Mannes und beansprucht das Kleidungsstück für sich. «Oh du hast es mir mitgebracht.» - «Wieso?» fragt der junge Mann verblüfft. - «Mein Name ist doch schon eingestickt: Made in USA.» Eindringlich wird das Schicksal einer jungen Frau nähergebracht, die sich vehement aus einer patriarchalischen Struktur befreien will. Auch wenn es die erste grosse Liebe kosten wird.
Der Karneval grüsst nicht nur bei diesem Ritual. Auch hier in dem entlegenen Winkel Südamerikas gelten die wenigen Tage «tiempo santo» als Freifahrtschein vor dem Herrn. Alles, was in dieser Periode an Sünden geschieht, wird vergeben werden, denn der Herr sieht es nicht. Claudia Llosa bietet einen authentischen Einblick in die andine Kultur und erzählt unter anderem davon, welche Widersprüche die von den Spaniern nach Lateinamerika exportierte katholische Religion in den Alltag der Indios und Indias gebracht hat. Autochtone Religiosität und übernommene sind da untrennbar miteinander verbunden. Und Madeinusa bekommt dies unwissend zu spüren.
Claudia Llosa erzählt die Geschichte einer versuchten Selbstfindung in einem widersprüchlichen Umfeld. Den Film hat sie im wunderschönen Hochland von Huaraz inszeniert, das auch die «peruanische Schweiz» genannt wird, mit einem Gespür für die entscheidende Zurückhaltung. "Madeinusa" ist ein packendes Stück Anden pur, Annäherung ans Leben in den hoch gelegenen und abgelegenen Dörfern einerseits, liebevolles Porträt auch und nicht zuletzt ein anregendes Stück darüber, was koloniales Verhalten langfristig bewirkt hat. Der Film wurde in Rotterdam mit dem grossen Preis der Filmkritik ausgezeichnet: Eine Entdeckung.
Walter Ruggle
Festivals & Auszeichnungen
International Critics Award, Rotterdam 2006
Argentina Film & Cinematography Industry Award Mar del Plata Film Festival 2006
Best Film Award, Festival de Cine Espanol de Malaga 2006
Nomination Oscar 2007
Credits
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Pressestimmen
«Un film magnifique, de tonalité baroque.»
24heures
«Halb ethnographisches Dokument, halb absurd verbogenes Revolutionsdrama, überragt der Film durch Bildkraft und Idee das gegenwärtige südamerikanische Kino um Haupteslänge.»
FAZ
«Vieles ist merkwürdig in diesem formidablen Film, der zu den Überraschungen dieses Kinoherbstes zählt... Llosa ist eine kraftvolle Erzählerin, eine genaue Beobachterin mit Sinn für schwarzen Humor, ihr Blick ist dem von Buñuel verwandt.»
Der Bund, Bern, Thomas Allenbach
«Der erste Film der diesjährigen Berlinale-Siegerin Claudia Llosa entführt in eine fremde Welt mit ihren eigenen Gesetzen und (zum Teil erfundenen) Ritualen. Ihr Blick ist dokumentarisch, aber nicht anthropologisch. Sie macht kein sprödes Verrichtungskino, sondern eines, in dem das Spirituelle eine magische, tabubrechende Konkretion gewinnt.»
Gerhard Midding, Die Welt
In ihrem fantastischen Debüt entschlüsselt die peruanische Regisseurin Claudia Llosa die Riten der indianischen Andenbevölkerung.... Die Geschichte, die sich nun entspinnt, ähnelt gewissermassen der Andenlandschaft, die der Kameramann Raul Pérez Ureta in grandiosen Bildern festhält. Sie ist rau und zuweilen recht ungemütlich - etwa, wenn Madeinusas Vater den Inzest mit seiner Tochter erzwingt, was später ihre grausame Rache nach sich zieht. Gleichzeitig jedoch ist sie auch von einer sagenhaften Schönheit und voller zärtlicher und leiser Momente. Die Regie ist karg und das Spiel der Akteure sparsam. Aber seltsamerweise stellt sich gerade dadurch ein Detailreichtum ein, der uns eine indianische Bergkultur facettenreich entschlüsselt.
Tages Anzeiger, Zürich, Mathias Heybrock
La cinéaste saisit, simultanément, à des fins anthropologiques et sur le plan des anciennes morales à dépasser, une peinture de l'existence contemporaine. Son écriture traite, avec des accents baroques, les célébrations remplies de cierges allumés ou les ivresses des kermesses emportées par les alcools forts ou les feux d'artifice. Les psychologies ne quittent jamais l'unité d'un endroit précis pendant une période particulière du calendrier.
Freddy Buache, Le Matin
«Indigene Lebenswelten sieht man im Kino aus Lateinamerika eher selten. Einschlägige internationale Bekanntheit hat nur gerade der Bolivianer Jorge Sanjinés erreicht; er gehört zu jenen Unentwegten, die sich als Weisse seit den sechziger Jahren in ihren Spielfilmen konsequent mit der Kultur der indianischen Urbevölkerung in ihrer Heimat auseinandergesetzt haben. Die 1976 geborene Claudia Llosa hat sich in ihrem Kinodebüt «Madeinusa» Ähnliches vorgenommen - auf eine unkonventionelle Art, ohne falsche Scheu vor der unbequemen, weitgehend fremden Realität und mit grosser visueller Überzeugungskraft. Letztgenannte Qualität verdankt der Film zu einem wichtigen Teil der brillanten Kameraarbeit des Kubaners Raúl Pérez Ureta, der auf seinem Gebiet zu den Bedeutendsten in Lateinamerika gehört. Wie hier die (erfundenen) prachtvollen Rituale zelebriert werden, hinter denen doch in jedem Moment das Schreckliche lauert, das allein schon macht «Madeinusa» zu einem Erlebnis.»
Neue Zürcher Zeitung
Die peruanische Jungregisseurin Claudia Llosa erzählt vom Versuch einer jungen India, aus der Enge patriarchaler Strukturen auszubrechen. Besondere Spannung erhält dies durch die Inszenierung eines volksreligiösen Spektakels, das bezeugt, welch seltsame Früchte Kolonialisierung und Christianisierung hervorbringen können. Nicht zufällig heisst das Mädchen so wie die Herkunftsangabe nordamerikanischer Konsumgüter und der Fremde schlicht Salvador, Retter. Der Film ist mit einer guten Portion schwarzem Humor gewürzt, doch nimmt er seine Figuren bis hin zum überraschenden Ende ernst, zu dem passend zur "Heiligen Zeit" ein unschuldiger Sündenbock gehört.
Medientipp, Christine Stark
Madeinusa hat über sich selbst bestimmt ... ein überraschender und aufregender Zugang. damit ist der erst 30jährigen Filmerin aus Peru ein erstaunliches Debüt gelungen. Fünf Punkte.
SF DRS, Franziska Oliver
Madeinusa fascine par le soin apporté au détail. Ces immenses processions dorées et clinquantes ou les intérieurs des habitats baignés d'éclairages offrent au film un air de tableaux vivants. Splendeur également, dans les paysages, dans le choix des costumes, la beauté des actrices ou l'envoûtement des chants. Un film magnifique!
Clap.ch
Claudia Llosa (Nichte von Mario Vargas Llosa) vermittelt in ihrem eigenwilligen Spielfilmerstling ein ebenso faszinierendes wie erschreckendes Bild eines indigenen Peru, wo farbenfrohe Rituale Obskurantismus und Rückständigkeit kaum verbergen.
Ticket, Zürich
«Mein einziger Gedanke, den ich beim Schreiben dieser Zeilen im Kopf habe, ist, Ihnen allen mitzuteilen, wie wichtig die Geschichte ist, die Geschichte eines Dorfes, einer Familie, einer Tradition. Beweggrund der Arbeit war mein drängendes Bedürfnis, etwas zu erzählen, mich einer Kultur zu nähern, die mir nahe und gleichzeitig fremd ist. Umsetzen wollte ich das, indem ich mich den Menschen der Anden mit der gleichen Ungezwungenheit näherte, wie ich es mit irgendeiner Familie aus der Stadt oder sogar mit meiner eigenen gemacht hätte. Nämlich ohne die Befürchtung, sie zu beurteilen oder zu verteidigen, da dies bedeuten würde, sie zu unterschätzen. Ausgehend vom Dorf, seinen Bewohnerinnen und Bewohnern und dem Volk entdeckte ich, wie ich mich auf das Thema fokussieren konnte, das allen Völkern der Welt gemeinsam ist: Die Unterdrückung der Liebe angesichts der Pflicht. Die Reflexion über diese verschwommene Grenze, die denWunsch und das erlernte Müssen verbindet und trennt. Es war ein langer Prozess. Ich möchte betonen, dass ich als Regisseurin genauso jungfräulich bin wie die Figur Madeinusa. Und obwohl ich fast immer versuche darauf zu vertrauen, dass dies wie bis anhin immer ein Teil meiner Freiheit sein wird, bleibt immer dieses beinahe, das uns stets daran erinnert, wie schwierig es ist, neue Herausforderungen anzupacken. Ich fühle mich dabei in sehr guter Gesellschaft.»
Claudia Llosa