My Name is Salt

von Farida Pacha, Indien, 2013

Mit jedem Monsun werden die Salzfelder in Indiens Rann von Kutch weggespült und die Wüste verwandelt sich in Meer. Trotzdem kehren die Salzbauern jedes Jahr zurück, voller Stolz, das weisseste Salz der Erde zu produzieren. Fasziniert von dem Thema hat Farida Pacha in der Salzwüste im Laufe eines ganzen Jahres unglaubliches Material sammeln können und daraus einen überwältigenden, geradezu meditativen Film gestaltet.

Die Wüste dehnt sich endlos aus – flach, grau, unerbittlich. Kein Baum, kein Grashalm, kein Stein. Eines aber gibt es im Überfluss: Salz. Salz ist überall, es liegt unter der ausgetrockneten, rissigen Erdoberfläche. Dies ist der Kleine Rann of Kutch, 5000 km² Salzwüste. Für acht Monate im Jahr kommen die Salzbauern hierher, um das Salz mühevoll aus dem glühenden Boden zu ziehen. Sie tun dies seit Generationen.

Jahr für Jahr verlassen rund 40'000 Familien ihre Dörfer, um in diesem Ödland zu leben - ohne Wasser, ohne Elektrizität und ohne Infrastruktur. Kaum ist der Monsun vorbei, treffen sie ein. Sanabhai und seine Familie werden sich von September bis April hier einrichten. Ihre nächsten Nachbarn leben einen Kilometer von ihnen entfernt. Sie kommunizieren via Spiegel, die sie in der Sonne blitzen lassen. Sanabhais Frau Devuben wandert durch das einförmige Wüstenland, um Brennholz zu suchen. Das Wasser kaufen sie von einem privaten Tankwagen, der einmal die Woche vorbeikommt.

Sanabhai hat vom Salzhändler der Stadt einen grossen Vorschuss für seine Salzernte bezogen. Er braucht Geld, um eine Wanne zu graben und an das gut 2 Meter unter der Erde liegende Salzwasser heranzukommen. Er muss Diesel kaufen für die Pumpen, die die Salzlake in die Becken ziehen. Während den nächsten Monaten wird das mechanische Dröhnen der Pumpe das einzige Geräusch sein, das die Stille der Wüste durchbricht. Die Salzlauge benötigt 8 Monate, bis sie zu Salz kristallisiert. Knietief unter der gleissenden Sonne in der Salzlauge stehend, pfaden Sanabhai und seine Familie den Boden, damit das Salz nicht gerinnt. Ist die Salzlake einmal genügend verdampft und das Salz mit den Händen greifbar, bearbeiten sie es so lange und geduldig mit schweren Holzrechen, bis sich grosse Kristalle formen. Ihre Arbeit ist rhythmisch, ein Tanz, der den Tanz der Luftspiegelungen am brennenden Horizont abbildet. Die weissen Kristalle sind scharf wie Glas. Nur zwei der Arbeiter haben Gummistiefel. Mehrmals täglich prüft Sanabhai die Qualität der Kristalle und behält stets ein Auge auf den Wasserspiegel in den Salzbecken.

Zwei von Sanabhais Kindern – ein 11-jähriger Junge und ein 8-jähriges Mädchen – gehen in die vor kurzem von einer NGO eröffnete Schule. Jeden Tag nach 11 Uhr, nach ihrer morgendlichen Arbeit in den Salzwannen, radeln sie zur Schule, eine weitere Hütte mitten im weiten Nichts der Wüste, jedoch mit einem Unterschied: Die Kinder haben Papierblumen um sie herum „gepflanzt“.

Im April schickt der Händler jemanden vorbei, der das Salz prüft. „Nicht gut“, sagt dieser: „Die Kristalle sind klein und nicht weiss genug“. Er drückt sofort den Anfang Saison mit Sanhabai verhandelten Preis. Sanhabai ist niedergeschlagen, zuckt aber nur mit den Schultern: „Was kann ich tun? Die nächste Salzernte wird bestimmt besser sein.“

In der Zwischenzeit türmen sich irgendwo am Rande der Wüste Berge von Salz neben Bahnlinien und warten darauf, in die Stadt transportiert zu werden. Die Saison ist vorbei und der Monsun im Anzug. Die starken Regenfälle werden die Salzfelder der Familie wegspülen. Die Wüste wird zu Meer und nur noch per Boot überquerbar sein.



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Credits

Originaltitel
My Name is Salt
Titel
My Name is Salt
Regie
Farida Pacha
Land
Indien
Jahr
2013
Drehbuch
Farida Pacha
Montage
Katharina Fiedler
Musik
Marcel Vaid
Kamera
Lutz Konermann
Ton
Sanjeev Gupta, Ramesh Birajdar
Produktion
Leafbird Films, Lutz Konermann
Formate
DVD, Blu-ray, DCP
Länge
92 Min.
Sprache
Gujarati/d/f oder i
Schauspieler:innen
Dokumentarfilm, Documentaire, Documentary, documentario

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Pressestimmen

«Dieser fesselnde Dokumentarfilm verfolgt das Leben eines Salzbauers und seiner Familie während der harten Monate der Ernte. Man wird Zeuge eines stoischen Kampfes gegen eine magische, aber gegenüber den menschlichen Wünschen gleichgültige Natur: ein heroisches Unternehmen, das sich allmählich in eine religiöse Suche nach Vollkommenheit verwandelt.» Züritipp, Gianfranco Basile

«My Name is Salt ist ein Film-Dokument über etwas, was wir urbanen Kinder bald nur noch aus den Erzählungen der Grosseltern kennen: Handarbeit und Fussarbeit. Er zeigt, wie das Geschick des Einzelnen und das Zusammenwirken aller es möglich machen, durch Gewinnung eines Produktes Gewinn zu erzielen. Mit Arbeit. Und Köpfchen. Vor unseren Augen wird aus Wasser weisses Gold.» Tageswoche Basel, Hansjoerg Bettschart

«Eine meditative, grandios gefilmte Betrachtung der Arbeit als Akt des Glaubens.»
Sight & Sound, London

«Die mit ruhiger Kamera aufgenommenen Bilder sind von bestechender Klarheit, Einfachheit und Reinheit.» Cineman

«Die ergreifend schönen, aber eben nicht beschönigenden Bilder des deutschen Kameramanns Lutz Konermann machen alle Kommentare überflüssig. Wir sehen, wie Familien in einem in der Regenzeit zum Sumpf werdenden Gebiet das Salz aus dem Boden holen, wo tuckernde Dieselmotoren und vorzeitliche Hand- respektive Fußarbeit ineinander gehen und die Arbeit die Menschen ganz selbstverständlich restlos vereinnahmt. Und doch ziehen sich die Leute ihre besten Sachen an, weil nun die Kamera auf sie schaut, und man sieht mit Hoffnung, dass sie sich nicht abgeschrieben haben.»
Stuttgarter Zeitung

«Von ganz eigenem Zauber ist der Sonntagsausflug, der zeigt, dass diese Menschen bei aller Armut keineswegs Sklaven ihrer Arbeit sind. Sorgfältig machen sie sich schön, um dann auf einem abenteuerlichen Vehikel an einen Ort zu fahren, der halb Tempel, halb Jahrmarkt zu sein scheint und wo sie sich vergnügen, wo die Frauen Schmuck kaufen.» Neue Zürcher Zeitung, Christoph Egger

«Aus den grandios fotografierten Bildern wächst in einer sichtbar gemachten Zeit, ganz subtil, die Geschichte einer Familie, im Wachstumstempo eines Salzkorns. Wer demnächst zum Salzstreuer greift, wird diese Bilder im Kopf haben.» Tageswoche, Hansjoerg Bettschart


«A beautifully-crafted meditation on the grueling work of salt production.»
The Hollywood Reporter

«Die poetisch-meditative Betrachtung einer alten Salzgewinnungstradition zeigt die stoische Schönheit der Natur ebenso wie die bewundernswerte Ausdauer des Menschen, wenn er im elementaren Wettstreit mit ihr steht.» Schweizer Salinen, salz.ch

«A beautifully observed film that takes the viewer on an absorbing journey into a strange and striking world. Made with great observation and impressive style, My Name Is Salt begins with mystery and puzzles and unravels into a delicate and intimate story of how a family bonds together against the elements to create something that is fundamental to modern life. Made with intimacy and compassion, it answers every question the viewer might have and is never less than intriguing and gently fascinating.»
Jury IDFA, Amsterdam

Ein Raum, um Zeit zu haben In der Tradition von Filmen wie Die grosse Stille von Philip Gröning und El sol del membrillo von Víctor Erice stehend, ist My Name is Salt ein beobachtender Dokumentarfilm über Menschen, die nach Perfektion streben, über ihre Hingabe zur Arbeit. Das Spektrum ist begrenzt, das Universum beschränkt auf kleinere Vergnügungen, Probleme und Sorgen der Familie. Es geschehen keine grossen dramatischen Ereignisse, viel eher wird der
einfachst mögliche Plot auf acht Monate ausgedehnt, zeigt die geringstmögliche Handlung in immergleicher Landschaft. Und doch hängt absolut alles von diesen Handlungen und der Landschaft ab. In jedem Status des Salzgewinnungsprozesses muss die Familie mit Präzision arbeiten und genaustens auf Details achten – ein ungenügend gepfadetes Salzbett wird im Nu weich, ein Rechen mit einer einzigen Zacke, die nicht genau im Glied steht, kann ihre über Monate geleistete Arbeit zunichte machen. Gelingt es der Familie nicht, am Ende des Zyklus genügend Salz zu schöpfen, werden sie im nächsten Jahr in der Schuld des Salzhändlers stehen. Ihr Einkommen ist gering, doch sind sie stolz darauf, das beste und weisseste Salz der Erde zu produzieren. Der Film endet mit dem Monsun. Die Wüste wird mit Regenwasser überflutet und alle Salzfelder werden weggewaschen. Im nächsten Jahr muss die Familie wieder von vorne beginnen.
Auch wenn die Kamera eine gewisse Distanz zum gefilmten Subjekt einnimmt, vermag sie eine sensible Intimität herzustellen. Der Film verlässt den Raum der Wüste während seiner ganzen Dauer nie. Die Aussenwelt macht sich nur bemerkbar, wenn sie in die Gegenwart einfällt: der Besuch des Salzprüfers, der wöchentliche Anruf des Wassertankfahrers, ein zufälliger Fischverkäufer, Lastwagen, die am Ende der Saison das Salz einsammeln. Die Wüste ist das Herzstück des Films und das atemberaubende, unübliche Setting wird voll ausgeschöpft, so dass die Wüste zu einem Charakter wird: fremd, trügerisch, hypnotisierend, hart. Die Zeit fliesst langsam, wie in der Wüste. Als Zuschauende erhalten wir einen Raum, Zeit anders zu erfahren, Dinge zu erspüren, ein gesamtes visuelles und akustisches Universum wahrzunehmen. Es gelingt uns, von der natürlichen Welt in eine poetischere, abstraktere Ebene vorzudringen. Als Filmemacherin bin ich von Geschichten angezogen, die sich zum philosophischen Erkunden des menschlichen Daseins eignen. Wie eine Fata Morgana taucht in Sanabhais Geschichte die Reflektion über die mythologische Erzählung vom Stein rollenden Sisyphos auf, der das Leben so sehr liebte und alles tat, es zu verlängern, dass die Götter ihn schliesslich mit einer sinnlosen, schweren und unbezahlten Arbeit bestraften.
Farida Pacha

Lumineux, musical, tout simplement sublime ! Clap.ch