Once Upon A Time in Anatolia
Irgendwo in Anatolien. Es ist Nacht, und eine Gruppe von Leuten ist im Dunkel auf der Suche nach einem Tatort. Ein Mann soll umgebracht worden sein. Der Untersuchungsrichter will Fakten und Klarheiten, die Polizei betreut die Verdächtigten, ein Arzt soll die Obduktion vornehmen. Wo nur ist der Körper begraben? Vor uns enfaltet sich ein Krimi in Zeitlupe, hinein choreografiert in die Landschaft und in die Nacht. Über die Figuren erzählt sich das Leben hier, weit weg von allem und mittendrin. Aus dem Dunkel der Nacht tauchen ihre Geschichten an den Tag, ihre kleinen Dramen und das, was die Region prägt und andere abgeschiedene Flecken auf diesem Planeten. Nuri Bilge Ceylan zeigt uns, was in seiner Heimat im Verborgenen schlummert und wie wenige Sätze unter Umständen erhellend sein können. Die «Comédie humaine» hat er in halluzinierenden Nachtaufnahmen festgehalten.
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Aus dem Dunkel ans Licht
Was ist ein Krimi? Das Onlinelexikon sagt: «Bei einem Krimi geht es in der Regel um ein Verbrechen, meist einen Mord oder ein sonstiges rechtlich schweres Vergehen, das den Leser, Hörer oder Zuschauer in Spannung versetzen soll. Mehrheitlich spielt ein Kommissar, ein Detektiv oder eine andere Hauptperson die Rolle des Ermittlers. In dieser Rolle findet er den eigentlichen Grund des Geschehens – häufig mit Zwischenfällen – heraus und entdeckt den Täter. Realistische Handlungsorte und gesellschaftliche Situationen, das heisst, die Anpassung an die jeweiligen historisch-gesellschaftlichen Bedingungen seiner Entstehungszeit, sind weitere Punkte, die Krimis gemeinsam haben.»
Once Upon A Time in Anatolia vom türkischen Fotografen und Filmemacher Nuri Bilge Ceylan (Uzak) erfüllt alle diese Grundanforderungen eines Krimis, und dennoch überrascht uns der Film, weil er sich gegen alle gängigen Muster sträubt. Da war eine Tat, da sind die Täter und da läuft die Suche nach dem Opfer. Wir sehen, oder besser: Wir erfahren die Suche im Dunkeln. Aber die Spannung, das, was uns in diesem Krimi in Zeitlupe in Bann halten kann, sind nicht irgendwelche hektischen äusseren Ereignisse oder das schlaue Gebahren eines Kommissars, der den Überblick hat. Bei diesem Krimi sind die Zwischenräume und die Zwischenzeiten nicht ausgespart, wir sind mitten drin in der Suche nach der Wahrheit. Und wir merken bald einmal, dass die Suche nach dem Opfer viel stärker als gewohnt eine Betrachtung der Situation ist, in der die Tat geschehen konnte, der Umstände, die sie möglich machten und der menschlichen Rätsel, die sie und das Ganze in sich birgt. Der Kommissar hat ein krankes Kind zuhause, der Arzt ist geschieden, der Polizist kämpft mit der Ungeduld, der Staatsanwalt versteckt sich vor Fakten. Die Magie dieses Filmes und die Erzählkunst von Nuri Bilge Ceylan entfalten sich von innen heraus in einer Art bewegter Beschaulichkeit. Wenig geschieht im Sinne von äusserlicher Aktion, viel erhellt sich aufgrund des Geschehens und über die Äusserungen der einzelnen Figuren. Am Ende ist viel weniger wichtig, wer genau hinter der Tat steckt als warum sie möglich wurde und wer alles was zu verbergen hat. Ceylan will von der Rätselhaftigkeit seiner eigenen Heimat erzählen, ohne dass er die Rätsel alle lüften könnte und möchte. Im Gegenteil: Er bewahrt einige bravourös. Von ungemeiner Schönheit und Dichte sind die Nachtaufnahmen von Kameramann Gökhan Tiryaki, in denen auch der Wind zu uns sprechen kann. Diese feinen Abstufungen in den Tönen und Lichtspielen bekommt man nicht alle Tage zu sehen. Eine Sinnesreise also auch.
Walter Ruggle
Festivals & Auszeichnungen
2011 - Cannes Film Festival
Grand Jury Prize
2011 - Karlovy Vary Film Festival, Czech Republic
NETPAC Award
2011 - Haifa Film Festival, Israel
Best Film (Golden Anchor)
2011 - São Paulo Film Festival, Brazil
Grand Prize of Critics
2011 - Cinemanila, Philippines
Best Director
2011 - Asia Pacific Screen Awards, Australia
Grand Jury Prize
Best Director
Best Cinematography
2011 - Dubai Film Festival, UAE
Special Jury Award
Best Cinematography
2012 - Dublin Int. Film Festival, Ireland
Best Director
2012 - Sofia Film Festival, Bulgaria
Sofia Award
2012 - Durban Int. Film Festival, South Africa
Best Screenplay
Best Cinematography
2012 - Awards Daily Halfway Awards, Hollywood, USA
Best Director
Best Cinematography
2012 - Haifa International Film Festival, Israel
FIPRESCI Award
SIYAD Turkish Critic's Awards
Best Film
Best Director
Best Sript
Best Cinematography
Best Editing
Best Supporting Actor (Ercan Kesal)
2012 - YEFA Yeşilçam Turkish Film Academy Awards
Best Film
Best Director
Best Sript
Best Cinematography
Best Editing
Best Actor (Taner Birsel)
Best Supporting Actor (Fırat Tanış)
Best Sound
Best Sound Design
Best Make-up
2012 - ESKADER 2011 Awards
Best Film
Credits
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Pressestimmen
«Avec un sens du plan et une direction d'acteurs stupéfiants, le Turc Nuri Bilge Ceylan (Uzak, Les Trois Singes) livre un polar métaphysique dans la lignée du Dürrenmatt de C'est arrivé en plein jour/La Promesse.» Le Temps, Norbert Creutz
«Nuri Bilge Ceylan, fidèle à son style, travaille sur le temps dans un long film composé de plans-séquences totalement hypnotiques, progressant lentement vers une scène finale hallucinante. Un chef-d'oeuvre primé à Cannes en mai dernier. A cent lieues de tout ce qu'on peut voir en salles actuellement.» Tribune de Genève, Pascal Gavillet
«Nuri Bilge Ceylan ist die Gallionsfigurdes türkischen Films. Once Upon A Time In Anatolia ist sein Meisterwerk. es vereint Qualitäten von Dürrenmatt und Tarkowski. Once Upon A Time in Anatolia ist ein Film, bei dem man das Gefühl bekommt, hautnah dabei zu sein. Er erinnert an Dürrenmatts Roman ‹Das Versprechen›, dessen Fazit ‹und nun, mein Herr, können sie mit dieser Geschichte anfangen, was sie wollen› auch für Ceylans Arzt gelten könnte. Dem Regisseur geht es mehr um die einzelnen Personen als um den Fall. Er bietet mit den langen Einstellungen, den atmosphärischen, nachtfiebrigen Bildern, dem absurden Humor und dem liebevollen Blick auf die Figuren ein einmaliges Kinoerlebnis … einer der besten Filme des Jahres!» NZZ am Sonntag, Christian Jungen
«Ganz langsam verrinnt die Zeit in Once Upon A Time in Anatolia. Es ist eine Meditation über den Sinn des Lebens.» SF Box Office, Bernhard Koellisch
«Lyrische Stimmungsbilder – die Unterhaltungen sind wunderbar musikalisch komponierte Momentaufnahmen von Atmosphäre und Gefühl. die Kamera sucht hier den Ausdruck in Mensch und Natur: im Wind, der durch Bäume pfeift,im verzweifelten Blick, den niemand erhascht. Wenn hohe Filmkunst darin besteht, Emotionen so anzulegen, dass sie einen schwingenden Druck erzeugen, der auf die Bilder übergreift, dann gehört Nuri Bilge Ceylan zu den bedeutendsten Regisseuren des Weltkinos. Denn kaum jemand erschafft eine solch aufregende und fordernde Dramaturgie der Langsamkeit, der Abschweifungen und lyrischen Stimmungsbilder. (…) am Schluss entsteht ein fast mythischer Genrefilm von philosophischer Spannung, ein funkelndes Kunstwerk voller erzählerischer Volten und offener Fragen über unseren Umgang mit Schuld und Schmerz. Wie die hypnotischen, nachtschwarzen Einstellungen, in die sie gefasst sind, hallen sie lange nach. Meisterhaft.» Tages-Anzeiger
«Die Stimmung im Film ist wie aus einem Maigret-Krimi, die Hauptfigur, der Gerichtsmediziner, entwickelt sehr viel Verständnis für die Geschichten, die er langsam erfährt rund um diesen Mord herum, und sehr viel Verständnis für die Leute auch, die darin verwickelt sind. Am Ende bleibt eine Stimmung wie in einem Maigret-Krimi. Man hat das Gefühl, man versteht Menschen besser, die man eigentlich gar nie kennenlernen wollte ursprünglich.» Radio DRS 2, Michael Sennhauser
«Avec «Il était une fois en Anatolie», le réalisateur turc Nuri Bilge Ceylan signe un polar aux antipodes de la frénésie des thrillers à l’américaine, captant en détails infimes le drame qui bout sous la nonchalance.» 20 Minutes, Fred Ferrari
«Zweieinhalb meisterliche Stunden, in denen dieser dunkle türkische Poet uns zeigt, was es heisst, Kino zu machen: Die Schwächen des Menschen erkunden und seine Sehnsüchte, sichtbar machen, was aus der Stille ihrer Seele durchsickert und das, was ihre Obsessionen von den töglichen Sorgen übersetzen, Gefühle vermitteln und die Zeit, die vergeht, fassbar machen. » Le Monde
«Ceylan ist ein echter Maler der grossen Leinwand, verstärkt noch durch die Kunst der Schauspielführung. - Selten hat man das intelligenter und mit schleichender Faszination erzählt gesehen. Am Ende spielt die Auflösung des Falls gar keine grosse Rolle, es zählt das, was er uns sagen kann über die heutige Türkei. Mit seiner Arbeit, die das Genre transzendiert, erreicht Ceylon die Grösse eines Dürrenmatt und dessen «Es geschah am hellichten Tag.» Le Temps