Fernando Solanas schickt den 17-jährigen Martin Nunca, der mit seiner Mutter und dem Stiefvater in Ushuaia, dem südlichsten Zipfel Argentiniens lebt, auf eine lange Reise der Entdeckungen durch den lateinamerikanischen Kontinent. Mit dem Fahrrad bricht er auf, um seinen Vater zu suchen. Unterwegs sammelt er Erfahrungen, lernt die Facetten verschiedener Orte und Länder kennen. Die argentinische Hauptstadt Buenos Aires steht unter Wasser, doch der Staatschef Doktor Rana (Frosch) lässt sich nicht beirren. Er hat unverzüglich auf die anhaltende Katastrophe reagiert und sich angepasst, indem er mit Schwimmflossen aus dem Regierungspalast tritt, um dem Volk sein mediengerechtes Lächeln vorzuführen. Martin entdeckt die reichen Mythen des Kontinents, die Geschichte der Azteken und der Indios in den Anden genauso wie die katastrophalen sozialen und ökologischen Zustände der Gegenwart. Seine Suche nach dem Vater wird ein aufregendes Durchforsten des Kontinents, wobei Solanas mit wunderbaren Ironien die Widersprüchlichkeiten zwischen Alltagsrealität und Politik aufzeigt. "Conocer l'America latina" hat er seiner Freundin zum Abschied gesagt, er wolle Lateinamerika erfahren. Und er tut dies im wahrsten Sinn des Wortes: Eine Entdeckungsreise auch für uns, eingebettet in die traumhaften Bandoneonklänge von Astor Piazolla. Wie in den Romanen von Gabriel García Márquez sind in den Filmen von Fernando Solanas die Grenzen zwischen dem, was ist und dem, was man sich vorstellen, erinnern, erträumen mag, fliessend. Da tauchen gedachte Figuren in der Wirklichkeit auf, um wirkliche Menschen in die Welt der Imagination zu entführen. Da werden Figuren aus der Realität zu Karikaturen ihrer selbst. Da finden sich Lebensfreude neben Trauer und Enttäuschung. "El viaje" ist ein zweistündiges Feuerwerk voller Poesie, das die Reise zum Genuss und zu Entdeckung macht, vielleicht der umfassendste Film zum Kontinent. "Ich will Lateinamerika durch das Prisma der Jugend wieder entdecken", hat Fernando Solanas, dieser Márquez des Kinos, beim Erscheinen seines Filmes gesagt, "denn es gibt kein schöneres und kein rebellischeres Alter, das so voller Liebe, Träume und kritischer Hellsicht wäre wie dieses."
Walter Ruggle

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Originaltitel El viaje
Deutscher Titel Die Reise
Französischer Titel Le Voyage
Andere Titel Il viaggio - The Voyage
RegisseurIn Fernando Solanas
Land Argentinien
Kinoformate 35mm, DVD, Blu-ray, DCP
Drehbuch Fernando E. Solanas
Montage Alberto Borello, Jacqueline Meppiel, Fernando Solanas
Musik Astor Piazolla, E. Gismonti, Fernando Solanas
Kamera Felix Monti
Ton Anibal Libenson
Produktion Cinesur, Buenos Aires
Länge 140 Min.
Sprache Spanisch/d/f
SchauspielerInnen
Walter Quiroz Martin
Soledad Alfaro Vidala
Ricardo Bartis Celador Salas, Monitor
Christine Becerra Violeta
Dominique Sanda Martins Mutter
Marc Berman Martins Vater
Chiquinho Brandao Paizinho
Franklin Caicedo Alguien Boga
Carlos Carella Tito el Esperanzador
Angela Correa Janaina
Juana Hidalgo Amalia Nunca
Francisco Napoli Martins Stiefvater
Auszeichnungen

Filmfestival Cannes
Jurypreis für beste Technik
Preis der ökumenischen Jury 1992

La Habana
Special Jury Prize

«El viaje befreit sich von allen Moden und spiegelt Grosszügigkeit und Energie die künstlerische und menschliche Erfahrung eines grossen Cineasten.»
La revue du cinéma


«Fernando Solanas, victime d'un attentat en mai 1991 - peu après le tournage d'«El viaje» - et condamné à se déplacer pendant des mois en fauteuil roulant, a recouvré la force politique poignante de ses films des années soixante, tel que «La hora de los hornos». Solanas saute d'un niveau narratif à l'autre, transcende sans cesse la réalité et parvient malgré tout à l'encercler avec précision. Le comique et le tragique se succèdent comme des battements de coeur. A l'instar de Marquez, Solanas brouille les limites entre la réalité et l'imaginaire. Les personnages imaginaires font soudain apparition dans la réalité afin d'attirer les personnages réels dans le monde de l'imagination. Cette narration à détours souligne la richesse d'un continent saigné à vif, montre ses plaies véritables, sans oublier ses misères, ses joies, ses espoirs, ses angoisses. Elle se consacre à des hommes qui n'ont pas encore perdu leur force, même si leur situation semble sans issue. «El viaje»: deux heures d'un feu d'artifice éminemment poétique et réjouissant, une véritable découverte.
Tages Anzeiger, Walter Ruggle

«Eine Art politisches Märchen, dessen Brisanz und kraftvolle Empörung einhergehen mit einer verspielten Lebhaftigkeit.»
L'Humanité

«Eine durch ihre Bilderfülle und surrealen Einfälle fesselndeReise durch die Seelenlandschaft eines Kontinents,die mit melancholischem Blick dessen Verwahrlosung registriert.»
Kinotipp

«Mit einer überschäumenden Vorstellungskraft und einem erstaunlichen Schweung mischt Solanas die Genres und Stile zu einem brodelnden Werk.»
Cinéfeuilles

«El viaje verfolgt Martíns Reise durch ganz Lateinamerika bis nach Mexiko und entwirft dabei eine imperialismuskritische Studie des Kontinents. Martíns Suche nach dem Vater wird zur Allegorie der kontinentalen Identitätssuche. Gleichzeitig kritisiert der Film die neoliberale Politik vieler lateinamerikanischer Länder, die Armut und Missachtung indigener Gruppen sowie die Ausbeutung des Kontinents durch westliche Industriestaaten.»
Jenny Haase: Filme in Argentinien

«Verglichen mit dem, was in Argentinien wirklich los ist, ist mein Film ein bescheidenes kleines Märchen.»
Fernando Solanas

«Depuis mon exil à Paris, je porte en moi cette idée d'un colossal tableau cubiste qui embrasserait le baroque et le gigantisme de l'Amérique latine. Pendant mes années d'exil en France, je rêvais de parcourir l'Amérique. Il est évident que la proche célébration du Cinquième Centenaire a été une source d'inspiration. Comme dans toute conquête, cette violence a abouti au massacre de l'identité culturelle de millions de personnes et à leur génocide. Quand j'ai commencé à pensér au «voyage», je voulais qu'il procède d'une réflexion sur toutes ces monstruosités de l'histoire et leur projection dans le présent.»
Fernando Solanas

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