Djomeh
Festivals & awards
Camera d'Or bester Erstling Cannes 2000
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Press voices
«Vor dem Hintergrund alltäglicher Routine entfaltet «Djomeh» unspektakulär ein Bild ethnografischer Qualität, Schattierungen von Drama wie Komödie inbegriffen. Herzstück sind dabei die Über-Land-Autofahrten von Djomeh und seinem Chef, wobei der Führerstand als eine Art Druckkammer funktioniert, so ähnlich wie dies in «Geschmack der Kirsche» von Yektapanahs Mentor und Lehrer Abbas Kiarostami der Fall war. Die Enge intensiviert Beziehungen, und so wie beiläufig der Hintergrund dem Innenleben des jeweiligen Protagonisten zugeordnet ist - hinter dem verliebten Djomeh grünt es in der Landschaft, während hinter dem mittelalten Junggesellen Mahmoud nur Wüste zu sehen ist -, nähern sich die beiden nicht nur dem andern, sondern auch sich selbst. Dass der Afghane Sunnite und der Iraner Schiite ist, spielt keine Rolle, ebenso wenig der potenzielle Generationenkonflikt. Die Schwierigkeit des Exils, erlebbar gemacht anhand eines Stücks Strasse im Ödland. Die Ereignislosigkeit der Landschaft findet in der statischen Kamera und der seriellen Montage stilistisch ihre Entsprechung, zwischenzeitlich sind die Bilder tableauhaft, beinahe gemalt. Lange Einstellungen, ein betont dokumentarischer Touch, ökonomische Schnitte und eine fast verleugnete Kamera. Der Film soll dem Alltag möglichst gleichen. Durch Stimmen und Gesten wird permanent auf ein Aussen verwiesen; die Welt ist immer grösser als die, die wir als Alltag sehen. Dahinter spürbar ist die Erfahrung des Krieges. Denn mit Krieg hat der iranische Neorealismus mindestens so viel zu tun wie mit Zensur. Als der Iran-Irak-Konflikt 1980 begonnen hatte, gingen unzählige Junge an die Front, auch Yektapanah, allerdings nicht als Soldat, sondern als Fotograf. Seine Bilder hat er bis heute nicht veröffentlicht. Die Formensprache des iranischen Neorealismus mag inzwischen epigonal erscheinen, angesichts der westlichen Verrenkungen bezüglich des Islambilds wirkt sie aber sachlich und nüchtern. «Djomeh» macht hier keine Ausnahme. Die letzten Einstellungen wirken wie gut gewählte Schlusssätze, die der erzählten Geschichte unvermittelt zusätzliche Tiefe und Komplexität verleihen. Das wirkt ganz und gar unexotisch.»
Die WochenZeitung, Reto Baumann
«Allerdings würde man diesen Film kaum so bedingungslos empfehlen, wenn neben der politischen Aktualität nicht auch eine äusserst sorgfältige Filmsprache vorläge. Yektapanah war bei Abbas Kiarostami («Der Geschmack der Kirsche») in der Schule. Das sollte einem spätestens dann in den Sinn kommen, wenn hinter den klaren, statischen Halbtotalen, die Menschen, Lehmhäuser und Hügel einfangen, die Kamera in Vergessenheit gerät. «Djomeh» ist die Geschichte einer Annäherung. Einer liebenden - indem der Junge, nach vielen unnützen Einkäufen, um die Hand der Krämerstochter im Tschador anhält - und einer freundschaftlichen zwischen den beiden Männern. Der Film hält Distanz zu den Figuren und ist ihnen gerade dadurch nah; er baut auf stilistische Schlichtheit und funkelt umso mehr in jenen Szenen, in denen er mit dramaturgischen Aperçus überrascht. Die Feinsinnigkeit dieser Erzählweise hat man schon vor dem 11. September erkannt: «Djomeh» ist letztes Jahr in Cannes mit der «Caméra d'or» für den besten Erstling ausgezeichnet worden.»
Tages-Anzeiger
«Djomeh» erzählt vom Fremdsein, der Liebessehnsucht und den Zukunftshoffnungen eines jungen Mannes. Zukunftshoffnungen allerdings, die eng mit seiner – schon damals – vom Krieg zerstörten Heimat und dem Flüchtlingstatus verknüpft sind; und die heute möglicherweise anders aussehen würden. Denn Djomeh darf zwar im Iran arbeiten, angesehen ist er dort aber nicht. (...) Yektapanahs Erstling besticht mit radikaler Schlichtheit und seinen poetischen, konsequent in Erdtönen gehaltenen Bildern.»
Berner Zeitung
«Ein Flüchtlingsschicksal jenseits der Nord-Süd-Polarität: der iranische Film «Djomeh» erzählt von einem jungen Afghanen, der auf einem iranischen Bauernhof arbeitet. In der Tradition des iranischen «Neorealismus» (der Regisseur vergleicht die Situation im kriegstraumatisierten Iran auch mit dem Nachkriegs-Italien, das den Neorealismus hervorbrachte) werden auch in «Djomeh» Landschaftsbilder zum Sprechen gebracht und viele Figuren von Laiendarstellern verkörpert. «Djomeh» handelt von Menschen, die einerseits kaum etwas zu verlieren haben und denen sich andererseits wenig Perspektiven bieten, sich eine verheissungsvolle Zukunft auszumalen. Dass (und wie) Djomeh dies trotzdem tut, macht, gerade weil der Regisseur auf jegliches Heldentum verzichtet, Eindruck.»
Aargauer Zeitung
«Der ungestüme und schwer zu kontrollierende Fluss der Liebesströme wird in allen Gesellschaften, in denen es zur täglichen Realität gehört, dass sich viele Eltern über die Wünsche ihrer Kinder hinwegsetzen und viele Ehen nicht als Gefühls-, sondern als Zweckgemeinschaften arrangiert werden, als gefährlich subversive Quelle gefürchtet. In diesem Sinn ist der naiv, direkt und beharrlich für sein privates Glück kämpfende Djomeh ein Revolutionär, der in Opposition lebt zu den den Ton angebenden Herren seiner Heimat wie jenen seines Gastgeberlandes. In einer Szene am Rand des Geschehens wird Djomeh im Krämerladen von einem alten Mann gefragt, ob er nach dem Krieg zurückzukehren beabsichtige. Die Frage bezieht sich auf den Bürgerkrieg nach dem Abzug der Sowjettruppen, nimmt aber jetzt durch das Geschehen mit den täglichen Bombardierungen Afghanistans eine ganz andere Dimension an: 1,2 Millionen offiziell registrierte Flüchtlinge und eine unbekannte Anzahl «illegaler» Einwanderer lebten schon vor Beginn der amerikanischen Angriffe im Iran, jetzt drängen schätzungsweise fünf weitere Millionen afghanischer Menschen an die Grenzen, um ihre Heimat verlassen zu können. Man muss annehmen, dass es Jalil Nazari, der Darsteller des Djomeh, noch schwieriger als seine Leinwandfigur haben wird, den Weg zum Glück zu finden.»
Der Bund