Yasujiro OZU
Yasujiro Ozu
Nichts als das altchinesische Schriftzeichen «mu» hat er in seinen eigenen Grabstein eingravieren lassen. «mu» bedeutet das Nichts, die Leere. Mit 54 Spielfilmen im Verlauf von 35 Jahren hat Yasujiro Ozu den Ruf begründet, der japanischste unter den japanischen Regisseuren zu sein. Er drehte Alltagsfilme über den Mittelstand, drehte menschliche Stilleben. Das Thema Familie, das Ozus Filme prägt, ist universell, seine Sicht aufs Leben japanisch. Es ist eine Sicht, in der formale Strenge und Einfachheit im Umgang mit den Mitteln uns die Sinne öffnen. Natürlichkeit wird über Stilisierung erreicht. Am 12. Dezember 1963 ist Yasujiro Ozu in Tokyo an Krebs gestorben. Er wurde auf den Tag genau sechzig Jahre alt. Ein Jahr zuvor hat ihn, während er mit den Dreharbeiten zu seinem letzten Film Samma no aji (Der Geschmack der Makrelen) beschäftigt war, die Mutter verlassen. Mit ihr hatte er seit dem Tod des Vaters im Jahr 1934 zusammengelebt. Kinder und Eltern sind sein Thema schlechthin.
Am 12. Dezember 1903 geboren, wuchs er in Tokyo auf und besuchte später die Schule in Matsusaka. Es heisst, dass Ozu, der gerne Bars aufsuchte, als Schüler wegen Alkoholkonsum aus dem Internat gefolgen sei. In einer der typischen Tokyoter Bars hat er auch immer seine Drehbücher geschrieben. Aus der Schule soll er sich davongeschlichen haben, um Filme anzuschauen: William Hart, Rex Ingram, Chaplin, Lloyd und King Vidor. Er arbeitete zunächst als Lehrer in einem Bergdorf und trat 1923 als Kamera-assistent in die Shochiku-Filmgesellschaft ein. Ihr blieb er sein Leben lang treu. Ozu wurde Regieassistent und 1927 Regisseur der Firma, für die er 51 seiner insgesamt 54 Filme drehte – zunächst Komödien, dann stille Sozial- und Familiendramen: Das Schwert der Reue (1927), Das Leben eines Büroangestellten (1929) Ich wurde geboren, aber… (1932), Eine Geschichte über Wasserpflanzen (1934), Eine Herberge in Tokyo (1935), Später Frühling (1949), Der Geschmack von grünem Tee über Reis (1952), Früher Frühling (1952). Die minimalistische Strenge Ozus hat auch jüngere Regisseure wie Wim Wenders und Aki Kaurismäki inspiriert. Tokyo monogatari (Die Reise nach Tokyo) wurde bei einer Umfrage der Zeitschrift Sight & Sound im Jahr 2012 von den Filmschaffenden aus aller Welt zum besten Film aller Zeiten erkoren. (wal.)
Von Yasujiro Ozu sind in der edition trigon-film bisher auf DVD erschienen: Ich wurde geboren, aber... (Stummfilm mit Musikbegleitung und einem Gespräch zur Stummfilmmusik), Später Frühling und Reise nach Tokyo. Letzterer ist soeben auch auf Blu-Ray herausgekommen mit einem Bonus-Film von Walter Ruggle zur Visualität von Ozu. Die Filme sind in japanischer Originalversion mit deutschen und französischen Untertiteln, die Blu-Ray enthält zudem italienische Untertitel.
Filmographie
1927 Zange no yaiba
1928 Kabocha
1928 Nyobo funshitsu
1928 Wakodo no yume (Jugendträume)
1928 Hikkoshi fufu
1928 Nikutaibi
1929 Takara no yama
1929 Kaishain seikatsu
1929 Gakusei Romance: Wakaki hi
1929 Wasei kenka tomodachi
1929 Daigaku wa deta keredo (Ich habe promoviert, aber...)
1929 Tokkan kozo (Ein brauchbarer Junge)
1930 Sono yo no tsuma (Die Frau jener Nacht)
1930 Kekkongaku nyumon
1930 Hogaraka ni ayume (Gehen Sie ruhig spazieren)
1930 Rakudai wa shita keredo (Ich bin zwar durchgefallen, aber)
1930 Erogami no onryo
1930 Ashi ni sawatta kou
1930 Ojosan
1931 Shukujo to hige (Die Dame und ihr bärtiger Verehrer)
1931 Bijin aishu
1931 Tokyo no gassho (Der Chor von Tokyo)
1932 Haru wa gofujin kara
1932 Umarete wa mita keredo... (Ich wurde geboren, aber...)
1932 Seishun no yume imaizuko (Wo sind die Träume
der Jugend?)
1932 Mata au hi made
1933 Tokyo no onna (Eine Frau von Tokyo)
1933 Hijosen no onna (Eine Frau in der Gefahrenzone)
1933 Dekigokoro (Eine Laune/Eine plötzliche Eingebung)
1934 Haha wokowazuya (Eine Mutter sollte geliebt werden)
1934 Ukigusa monogatari (Geschichte v. schwankenden Gräsern)
1935 Hakoiri musume
1935 Tokyo no yado (Eine Herberge in Tokyo)
1936 Kagamijishi (Dokumentarfilm über Kabuki)
1936 Daigaku yoitoko
1936 Hitori musuko (Der einzige Sohn)
1937 Shukujo wa nani o wasureta ka (Was hat die Dame vergessen?)
1941 Todake no kyodai (Die Geschwister Toda)
1942 Chichi ariki (Es war einmal ein Vater)
1947 Nagaya shinshiroku (Erzählungen eines Nachbarn)
1948 Kaze no naka no mendori (Ein Huhn im Wind)
1949 Banshun (Später Frühling)
Bilder 6 bis 9
1950 Munekata kyoudai (Die Munakata-Schwestern)
1951 Bakush (Weizenherbst)
1952 Ochazuke no aji (Geschmack von grünem Tee über Reis)
1953 Tokyo monogatari (Die Reise nach Tokyo)
Bilder 1 bis 5
1956 Soshun (Früher Frühling)
1957 Tokyo boshoku (Tokyo in der Dämmerung)
1958 Higanbana (Sommerblüten)
1959 Ohayo (Guten Morgen)
1959 Ukigusa (Abschied in der Dämmerung)
1960 Akibiyori (Spätherbst)
1961 Kohayagawa-ke no aki (Herbst der Familie Kohayagawa)
1962 Sanma no aji (Ein Herbstnachmittag)
Late Autumn - Akibiyori (1960)
Das weibliche SeinSieben Jahre nach dem Tod ihres besten Freundes wollen drei alternde Männer die Tochter des Verstorbenen unter die Haube bringen, wobei alle drei vor allem für ihre Mutter, die schöne Witwe, schwärmen. Tochter Ayako ist 24 und denkt nicht im Traum ans Heiraten. Lieber lebt sie weiterhin mit ihrer Mutter Akiko zusammen; sie will diese nicht allein lassen. Das männliche Trio realisiert also, dass es die Mutter wieder verheiraten müsste, um der Tochter einen Mann zu bescheren. Weiter
Tokyo monogatari - Tokyo Story (1953)
Ein Meisterwerk des japanischen Kinos und einer der schönsten Filme über familiäre Beziehungen überhaupt. Die Grosseltern Shukichi und Tomi Hirayama beschliessen, ihre erwachsenen Kinder und deren Familien in Tokyo zu besuchen. Dort angekommen erkennen sie, dass der älteste Sohn Koichi, ein Arzt, und die älteste Tochter Shige, die einen Schönheitssalon betreibt, wenig Zeit für sie haben. Einzig Noriko (Setsuko Hara), die Witwe des im Zweiten Weltkrieg gefallen Sohns, bemüht sich um ihre Schwiegereltern. Weiter
Early Summer - Bakushu (1951)
Noriko ist 28 Jahre alt und arbeitet als Sekretärin in einer kleinen Firma in Tokio. Sie ist eine moderne junge Frau, lebt aber noch bei ihren Eltern, ebenso wie ihr Bruder, dessen Frau und die beiden Kinder. Noriko wird von ihrer Familie unter Druck gesetzt - schliesslich ist es in diesem Alter nicht vernünftig, noch nicht verheiratet zu sein. Doch das Mädchen freut sich über ihre Unabhängigkeit und zieht es vor, ihren zukünftigen Ehemann selbst zu finden. Ihr Chef schlägt ihr eine gute Partie aus seinem Bekanntenkreis vor, doch Noriko lehnt ab... Weiter
Late Spring - Banshun (1949)
Glück, Vergänglichkeit, Tradition, Zerfall, Sorge, Einsamkeit: Das sind einige von Yasujiro Ozus sanft wiederkehrenden Themen. Professor Shukichi Somiya ist sechzig und Witwer. Seine Tochter Noriko sorgt für ihn und führt den gemeinsamen Haushalt. Sie ist 24 Jahre jung und sollte endlich verheiratet werden. Meint der Vater. Mit Hilfe einer Tante und von Freunden, im vollen Bewusstsein, dass der Erfolg seiner Bemühungen ihn einsam machen wird, hält er Ausschau nach einem Bräutigam. Die Tochter wehrt sich, weil sie den Vater nicht allein lassen will. Weiter
I was born, but - Umarete wa mita keredo (1932)
Eine Stummfilmperle aus dem Japan der frühen Dreissiger Jahre und einer der schönsten Filme über die Kindheit in der Grossstadt. Der Angestellte Yoshii zieht mit seiner Frau und den beiden Söhnen Ryoichi und Keiji in einen Vorort von Tokyo. In der Nähe wohnt auch der Direktor seiner Firma, und Yoshii verspricht sich durch die grössere Nähe berufliche Vorteile. Anfangs werden Yoshiis Söhne von den anderen Jungen aus der Nachbarschaft gehänselt und schikaniert. Weiter