Children Of Sarajevo
Rahima ist 23 und arbeitet in der Küche eines angesagten Restaurants in Sarajevo. Sie lebt mit ihrem 14-jährigen Bruder Nedim zusammen, den sie betreut, da die beiden ihre Eltern im Krieg verloren haben. Es ist nicht einfach für die junge Frau, für beide den Lebensunterhalt zu besorgen und mütterliche Pflichten wahrzunehmen. Unheimlich dicht erzählt Aida Begić aus dem heutigen Alltag in ihrer verwundeten Heimatstadt Sarajevo.
Aida Begić, die junge Filmemacherin aus Bosnien-Herzegowina, hat bereits mit ihrem Erstling Snow (Schnee) Aufsehen erregt und es zu einer Einladung ins offizielle Programm von Cannes geschafft. Auch jetzt überzeugt sie wieder mit einer Geschichte mitten aus dem Alltag ihrer Heimatstadt Sarajevo heraus, wo vor noch gar nicht langer Zeit ein Belagerungszustand herrschte, wie man ihn im Europa des späten 20. Jahrhunderts nicht mehr für möglich gehalten hatte. Er endete erst am 29. Februar 1996. Viele, die geblieben sind und überlebt haben, haben Söhne, Männer oder auch Eltern verloren. Von zwei dieser «Kinder aus Sarajevo», erzählt Aida Begić in ihrem Spielfilm. Sie tut dies erneut mit einem ausgeprägten Formbewusstsein. Die fiebrig bewegte Kamera von Erol Zubčević taucht in der nebligen Stadt, in der vieles noch immer von einem Schleier umhüllt scheint und sich noch nicht klar zeigen kann. Atemlos muss sie schauen, dass ihr die Figuren, die unter Druck stehen und bewegt sind, nicht entwischen.
Rahima und Nedim, die beiden Kinder, leben in Sarajevo in einer Gesellschaft des Übergangs, in der die Wunden tief sitzen und noch lange nicht verheilt sind. Marija Pikic und Ismir Gagula spielen ihre beiden Rollen so intensiv, dass man den Eindruck hat, sie wären nicht Spielende sondern Porträtierte. Vor der Uraufführung in Cannes 2012 hat sich Aida Begić dafür entschuldigt, dass sie noch immer keinen optimistischen Film habe machen können. Das ist, in einer Zeit, in der das Publikum sich im Kino gerne aufheitert, verständlich. Aber die Wirklichkeit ist nun mal nicht nur fröhlich, und wenn jemand so präzis hinschaut und so packend erzählen kann, wie Aida Begić, dann wird das nebensächlich. Elementar ist die Kraft, mit der sie erzählt und uns vor Augen führt, welche Spuren ein Krieg auch nach fünfzehn Jahren noch hinterlässt, auch und gerade bei Kindern. Mich hat der Film um die zwei Kinder, die ohne Eltern aufwachsen und bei denen die Tochter die Mutterrolle auch noch mitspielen muss, an den grossartigen Spielfilm Sister – L’enfant d’en haut der Schweizerin Ursula Meier erinnert. Auch sie eine Filmemacherin, die sich radikal treu bleibt und ohne Anbiederungen an ihren Filmen arbeitet. Beide betrachten sie im allerbesten Sinn Realitätsmomente in ihrer Heimat, verdichten sie zu Innenansichten, die sich in der Umgebung spiegeln. Seelenlandschaften sind das, was wir in ihren Filmen zu sehen bekommen.
Walter Ruggle
Festivals & Auszeichnungen
Cannes Filmfestival, SĂ©lection officielle 2012
Sarajevo Filmfestival: Beste Schauspielerin und Cineuropa Award
GijĂłn Filmfestival, Best Art Direction
Credits
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Pressestimmen
«Du punk au voile.»
Le Monde
«Hart und zart zugleich ist dieser packende Film, dessen auf ganz unterschiedliche Weise mutige Protagonisten einem sofort ans Herz wachsen. Besonders berührend sind die Momente, in denen die Geschwister zueinanderfinden und zumindest eine Zeit lang eine glücklichere Zukunft möglich erscheint.»
ZĂĽritipp, Pierfrancesco Basile
«Es sind kleine und alltägliche Dinge, die Aida Begić in ihrem starken und eindringlichen Spielfilm festhält und die jeweils viel erzählen: wie Rahima ihre Arbeitskleidung anzieht und mit grosser Sorgfalt ihr Kopftuch bindet, wie sie das Essen für ihren Bruder und den Nachbarsjungen zubereitet, während die beiden Computergames spielen, oder wie sie nachts vor der weihnachtlich beleuchteten Villa des Ministers steht und schaut. Überzeugend stellt Marija Pikic die ernste und verschwiegene Rahima dar. Die Kamera bleibt stets nah bei ihr, schaut ihr über die Schulter, begleitet sie auf Schritt und Tritt.»
WOZ, Silvia SĂĽess
«Mit Children of Sarajevo gelingt Aida Begić ein ungeschöntes verdichtetes Zeitdokument: düster, grau, aber nicht hoffnungslos. Im Alltagskampf ums Überleben, um Verantwortung und Würde bleibt kaum Zeit, kaum Kraft für Liebe und Familienwärme. Die Geschichte um das Geschwisterpaar spielt in der Weihnachtszeit, doch Freude kommt selten auf. Feuerwerkskörper werden um die Jahreswende abgebrannt. Sie erinnern an Kriegslärm, an die Belagerung Sarajevos, setzen aber auch Zeichen: Lichter für eine vielleicht bessere Zukunft.»
Rolf Breiner
«Mit ihrem Erstling Snijeg – Snow etablierte sich die Bosnierin Aida Begić 2007 international als eine der wichtigsten filmischen Stimmen ihres zerrissenen Heimatlandes. Stand in jenem Drama das ländliche Leben und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft im Zentrum, spielt ihr neuer Film Children of Sarajevo in der bosnischen Hauptstadt und zeigt eine illusionslose Nachkriegsgesellschaft.»
Magazin Filmpodium
«Da ist kein Wort zu viel in den Dialogen, da sitzt jeder Satz in diesem bewegenden Film, der aufs Essentielle reduziert ist und durch seine Klarheit und Präzision besticht.»
Andrea LĂĽthi, medientipp
«Das schöne Porträt einer jungen, kämpferischen Frau.»
Le Temps, Antoine Duplan
«Mit einer explosiven Tonspur und Flashbacks in Form von authentischen Videoaufnahmen zeichnet die bosnische Filmemacherin Aida Begić das Porträt einer starken, rebellischen jungen Frau im Konflikt mit einer Gesellschaft, die sich vom Krieg nicht zu erholen scheint. Ein packender Film, der durch eine virtuose Ästhetik brilliert!»
L'Express, Raphael Chevalley
«Children of Sarajevo ist ein Film aus den Abgründen des heutigen Europa, getragen von einer Hoffnung, die auch den schlimmsten Umständen trotzt.»
filmstarts, Robert Cherkowski
«Der Krieg liegt noch nicht so weit zurück, und Begić vermittelt ein Gefühl der Spannung und Angst, ein Gefühl dafür, dass alles einfach begraben wurde, und zwar nicht allzu weit unter der Oberfläche.»
The Guardian, Peter Bradshaw
«Marija Pikic ist bemerkenswert in der Rolle der getriebenen Rahima.»
Screen Daily
«Doch Aida Begics Film will vor allem provozieren. Er will seine Zuschauer zum Nachdenken über ein Thema anregen, das allzu oft unter den Tisch fällt. Über die Geschichte von zwei Waisenkindern, Rahima und Nedim, porträtiert Begic eine ganze Generation von Kindern, die in einer Übergangsgesellschaft ohne Werte und Gemeinschaftssinn gross geworden sind. Children of Sarajevo stellt eine simple Frage: Welches Erbe hinterlassen wir dieser neuen Generation, die unsere Zukunft darstellt und bis heute nicht viel mehr als Krieg, Hass und nationalistische Gehirnwäsche erlebt hat?»
cafebabel, Katharina Kloss