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Vom weiblichen Universum im brasilianischen Cerrado
Wir haben mit dem Regie-Duo JoĂŁo Salaviza und RenĂ©e Nader Messora ĂŒber den Entstehungsprozess von «CrowrĂŁ â The Buriti Flower» gesprochen, darĂŒber, was uns mit den KrahĂŽ eint und warum es auch ein Film des Widerstands ist.
CrowrĂŁ â The Buriti Flower ist der zweite Film, den ihr mit der Gemeinschaft der KrahĂŽ gedreht habt nach The Dead and the Others (Chuva Ă© Cantoria na Aldeia dos Mortos). Könnt ihr mir von der Beziehung erzĂ€hlen, die ihr zu den Menschen aufgebaut habt? Wie fing das alles an, und wie hat sich dieser gemeinsame Weg entwickelt?
RNM: Der Anfang von all dem hat nicht so viel mit unseren Filmen zu tun, dafĂŒr mit dem Filmemachen an sich. Ich war dort, um einen wichtigen Anlass festzuhalten, ein Fest zur Ende der Trauerzeit nach einem Tod. Wenn ein Mensch aus der Gemeinschaft der KrahĂŽ stirbt, muss dieses Fest etwa ein Jahr spĂ€ter abgehalten werden, damit der Geist ins Totenreich ĂŒbergehen kann. Die ganze Gemeinschaft nimmt daran teil. Der Sohn eines Verstorbenen wollte die Aufzeichnung dieses Festes, weil er eine wichtige Persönlichkeit war und oft ausserhalb des Dorfs unterwegs. Durch gemeinsame Bekannte stiess ich zum Team fĂŒr die Aufzeichnung.
Ich war noch nie in einem indigenen Dorf und war erst gerade von meinem Studium in Buenos Aires zurĂŒckgekehrt; es war also ein sehr einschneidendes Erlebnis fĂŒr mich. Es gab dort bereits einen Lehrer mit einer Gruppe Jugendlicher, die Lust hatten, mit Bildern als Werkzeug zu arbeiten, um Feste, Geschichten und Mythen aufzuzeichnen, Traditionen, die sie fĂŒr die Zukunft aufbewahren wollten. Mit diesem Lehrer erarbeiteten wir einen Film-Workshop, der von den Jungen vor Ort bis heute immer wieder durchgefĂŒhrt wird. In diesem Prozess merkten die Menschen, dass Bilder sich auch fĂŒr den Kampf, den Widerstand eignen. Gleichzeitig hatten sie das BedĂŒrfnis, alles zu filmen. Es entstand ein riesiges Repertoire sowohl auditiver wie auch visueller Natur. Sie nahmen alles auf, woran sich die Alten erinnerten, praktisch die ganze Mythologie ihres Stammes. Das sind immense Aufnahmen, ein Mythos kann an die sechs Stunden dauern, wenn er mĂŒndlich ĂŒberliefert wird. So entstand total viel Material, und als ich 2014 ankam, war dieses Projekt bereits im Gange. Auch wir fĂŒhrten Workshops durch, und als dann die ElektrizitĂ€t ins Dorf kam, wollten sie eine Art News-Sendung machen, die jeweils freitags prĂ€sentiert wird und wiedergibt, was unter der Woche passiert ist. Zu diesem Zeitpunkt begannen wir, ĂŒber diesen Film nachzudenken. Mit IhjĂŁc, dem Protagonisten des ersten Films, setzten wir uns zusammen, um den ersten Film zu schreiben, um das Material ein bisschen zu bĂŒndeln â und so hat das alles begonnen.
Nun reden wir bereits vom zweiten Film: Wie habt ihr diesen Film geschrieben? Der Film ist ja nicht klar dem Dokumentarfilm oder der Fiktion zuzuordnen, ihr bewegt euch irgendwo dazwischen, es gibt aber viele fiktive Elemente. Wie habt ihr diese ErzÀhlform entwickelt?
RNM: Ich glaube, das Leben selbst lieferte uns die Vorbereitung. Wenn du viel Zeit mit Menschen verbringst, verstehst du irgendwann, was die Themen und Probleme sind, die sie beschĂ€ftigen. Gleichzeitig sahen sie uns auch als Menschen, die Bilder produzieren, und brachten daher viele Ideen zu uns. Wir wussten von diesem kollektiven Trauma, dem Massaker. Und gleichzeitig durchlebten wir gerade die schlimmste Zeit in der jĂŒngsten Geschichte des Landes mit der Regierung Bolsonaros und all den Bedrohungen, die sehr prĂ€sent waren. So war es fast schon zwingend, diesen Film so zu machen, wie er schliesslich rauskam.
JS: Es ist ein bisschen wie eine NĂ€harbeit aus verschiedenen StĂŒcken, und Teil unserer Arbeit ist es, eine filmische Form zu finden, die durchlĂ€ssig genug ist, um all diesen bereits vorhandenen Geschichten und narrativen Elementen Raum zu bieten. Einige der Geschichten haben uns die Menschen erzĂ€hlt, die am Drehbuch mitschrieben, wie etwa HyjnĂ”, einer der Protagonisten des Films, der auch massgeblich am Drehbuch beteiligt war. Die Sequenz des Massakers basiert auf einer ErzĂ€hlung, die er selber 2010 aufgenommen hat mit seinem Grossvater, der als Kind dieses Massaker im Jahr 1940 ĂŒberlebt hat. Wir filmten also, wie HyjnĂ” die Geschichte erzĂ€hlte, die er von seinem Grossvater gehört hatte, eine Weitergabe der Erinnerung, die dann in den Film einfliesst. Die Geschichten von Patpro und ihrer Tochter â das MĂ€dchen ist in Wirklichkeit nicht ihre Tochter, lebt aber auch dort â sind auch Teil dieses narrativen Mosaiks. Viele KrahĂŽ brachten Erinnerungen mit ein, persönliche Geschichten und mythische Elemente. In RealitĂ€t hĂ€tten wir fĂŒnfzig Personen auffĂŒhren können fĂŒr das Drehbuch, denn es war ein sehr kollektiver Prozess. Und manchmal kommt die alles verĂ€ndernde Information genau dann, wenn man gar keine Frage gestellt hat. Doch das geschieht nur, wenn man sehr viel Zeit miteinander verbringt.
Dann gibt es eine weitere Dimension: Wir arbeiten ohne Drehbuch auf Papier. Alles ist verhandelbar und wird beim Dreh besprochen. Die KrahĂŽ haben hohe AnsprĂŒche in Sachen Ăsthetik, zum Beispiel an ihren Festen. Sie möchten nur so dargestellt werden, wie es ihnen auch gefĂ€llt und sie es als richtig erachten, also beispielsweise mit der richtigen Frisur. Im ersten Film mussten wir eine Szene nochmals filmen, weil dem Protagonisten seine Frisur nicht gefiel, manchmal hatten sie also gewisse Star-AllĂŒren. Wir arbeiteten in Sequenzen, beispielsweise der Sequenz, wenn Patpro mit ihrer Tochter ĂŒber die TrĂ€ume redet, die sie verfolgen. Aber alles Weitere â die Wörter sowie die Dialoge, die sich in dieser Sequenz entwickeln â kommt von den Protagonist:innen, manchmal improvisiert, manchmal eingeĂŒbt. Da wir ihre Sprache nur sehr rudimentĂ€r beherrschen, mussten wir manchmal nach dem Dreh und der Ăbersetzung die Sequenzen nochmals wiederholen, weil ganz wichtige Elemente gefehlt hatten â dafĂŒr waren neue, ĂŒberraschende Themen mit dabei.
Die Sprachbarriere muss den Prozess schon ziemlich verkompliziert haben.
RNM: Ja, im Prozess der Ăbersetzung merkten wir ab und zu, dass fundamentale Ideen nicht vertreten waren. Wenn das geschah, mussten wir nochmals filmen. Und das ist verrĂŒckt: Es gibt so viele Filme mit Indigenen, bei denen die Untertitel nicht mit dem ĂŒbereinstimmen, was die Menschen sagen. Es ist ganz einfach, das zu verfĂ€lschen, schliesslich wird niemand es je merken. Doch das stört uns enorm, das war fĂŒr uns ein No-Go. Und gleichzeitig mussten wir wachsam sein, denn gewisse Eigenheiten der KrahĂŽ haben wir bereits verinnerlicht, fĂŒr Aussenstehende sind sie jedoch nicht verstĂ€ndlich. Wir mussten stĂ€ndig aufpassen, dass dieses VerstĂ€ndnis, das die KrahĂŽ vom Leben haben, auch fĂŒr Menschen mit einem völlig anderen Hintergrund funktioniert.
Das ist interessant, denn genau das hat mich am Film so fasziniert: dass Themen behandelt werden, die mir so vertraut sind. Ich fĂŒhre ein komplett anderes Leben, aber die KrahĂŽ-Frauen beschĂ€ftigen teilweise ganz Ă€hnliche Themen: Ihre Kinder zu Hause zu lassen, um zu demonstrieren; Frauen mehr Macht zu geben; das Thema des Klimawandels. Die Unterhaltungen der Frauen und MĂ€dchen untereinander sind gar nicht immer so verschieden von dem, was wir kennen.
RNM: Absolut. Von diesen Szenen, die das weibliche Universum behandeln, hat mich dann aber jene am meisten beeindruckt, zu der wir in unserem Alltag keine Entsprechung finden können in der Stadt, als Nicht-Indigene: Als die zwei Frauen ĂŒber diese Frau sprechen, die nicht Schamanin werden konnte, weil niemand ertragen kann, dass eine Frau so immens viel Macht besitzt.
JS: Aber fĂŒr uns ist das ein ganz wichtiger Punkt: Es war uns bereits in Chuva Ă© Cantoria na Aldeia dos Mortos ein fast schon ethisches Anliegen, beim Filmen unserer indigenen Freund:innen mit diesem Kontrast zu brechen. Oft werden Indigene im Kontrast zum Nicht-Indigenen gefilmt. Das wollten wir vermeiden. Den Film nicht davon abhĂ€ngig machen, diesen Kontrast zu markieren, sondern die Menschen aus ihrer Gesellschaft heraus zu portrĂ€tieren und eben genau ihren Alltag zu filmen, wie beispielsweise die Unterhaltungen zwischen den Frauen und MĂ€dchen. Wir haben dieses Bild des Indigenen satt, das so oft zirkuliert, als wĂ€ren sie alle Schamane, die andauernd Visionen haben und spirituelle Reisen machen. Klar ist das eine wichtige Dimension, aber wenn du in dieser Gemeinschaft lebst, siehst du so viel mehr: Die Kinder spielen Fussball, die 14-jĂ€hrigen MĂ€dchen reden ĂŒber die Jungs und wer ihnen gefĂ€llt, sie gehen in die Stadt und lackieren sich die NĂ€gel, reden ĂŒber die Grossmutter, die Schamanin. Aber all das tritt zusammen auf mit den Eigenheiten, die wir uns immer unter dem indigenen Leben vorstellen.
Gibt es denn Schamaninnen?
JS: Ja, die gibt es, aber es ist ein ziemliches Tabu. Wir haben immer wieder danach gefragt, und eines Tages hat uns eine gut befreundete Frau die Geschichte erzĂ€hlt, die im Film vorkommt. Und dann versteht man plötzlich: Wenn wir unsere Konzepte von Geschlechterrollen und Gender auf eine indigene Gemeinschaft ĂŒberstĂŒlpen, wirkt diese wie ein Patriarchat. Aber wenn man tief in der Gesellschaft drin ist, merkt man, dass es die Frauen sind, die die Kontrolle ausĂŒben. Das lĂ€uft ĂŒber andere Mechanismen, die in unserer Gesellschaft nicht existieren. Aber wenn du wirklich dort lebst, merkst du, dass es ein Gebiet der Frauen ist. Die Frauen tragen ihren Söhnen und MĂ€nnern auf, worĂŒber sie an den ZusammenkĂŒnften reden sollen. Und wenn die MĂ€nner sich morgens in ihren Kreisen treffen, sitzen die Frauen rundherum wie in einem Panoptikon und hören mit. Es ist ein weiterer Kontrollmechanismus. Es ist sehr spannend, solchen Kernfragen nachzugehen, die leider in vielen Filmen nicht auftreten, weil sie an der romantisierenden OberflĂ€che des indigenen Lebens stehenbleiben.
Wie hat sich euer Geschlecht auf den Prozess der Dreharbeiten ausgewirkt? Ihr wart beide vor Ort, durftet ihr als Mann und Frau immer ĂŒberall dabei sein?
RNM: Es gab wohl eine Szene, bei der dies einen besonderen Einfluss hatte: Die Szene der Geburt. DarĂŒber hatten wir lange gesprochen, wir wollten gerne einer richtigen Geburt beiwohnen. Das war natĂŒrlich schwierig zu organisieren, denn eine Geburt ist immer ein Mysterium. Unsere Nachbarin war schwanger, und eines Morgens wachten wir auf, und das Baby war eben zur Welt gekommen.
JS: NatĂŒrlich musste das passieren, so wie bei Kiarostami, der auf den Tod der alten Frau wartet, die einfach nicht sterben will (Et le vent nous emportera, 1999).
RNM: Diese junge Frau fuhr dann ins Dorf zum Doktor, und als sie zwei Tage danach zurĂŒckkam, wollte sie die Szene mit uns filmen. Da wollte sie aber keinen Mann dabei haben, denn bei ihnen nehmen die MĂ€nner nicht an der Geburt teil und bleiben draussen.
JS: Wir stellten diese Sequenz daraufhin mit denselben Frauen nach, die bei der echten Geburt zwei Tage zuvor am selben Ort anwesend waren: Es war also ein Reenactment mit allen Beteiligten, und die Emotionen waren noch so frisch, dass es sehr gut funktionierte.
Eine andere Form von Reenactment habt ihr bei der Szene des Massakers eingesetzt. War das nicht schwierig, dieses traumatisierende Ereignis mit den Dorfbewohner:innen nachzuspielen? Das Massaker scheint ja ziemlich prÀsent zu sein in der Erinnerung der Gemeinschaft.
JS: Ja, das ist extrem prĂ€sent, es passierte in den 1940ern, aber sogar die Kinder wissen Bescheid. Und es war vermutlich die schwierigste Szene, denn die Erwartungen der KrahĂŽ unterschieden sich komplett von unseren Vorstellungen fĂŒr diese Sequenz: Wir wollten kein Blut filmen und keine Toten, wir wollten keine sogenannte Pornogewalt wiedergeben. Dies sollte ein Film ĂŒber den Widerstand werden, und wir wollten keine weiteren Bilder von toten Indigenen in die Welt setzen, von schwangeren Frauen mit aufgeschlitztem Bauch. In der RealitĂ€t ist es aber tatsĂ€chlich so passiert: Es war ein regelrechter Ethnozid, fĂŒr den sich drei grosse Farmbesitzer zusammengetan hatten, um so viele Indigene wie möglich umzubringen, mit dem Fokus auf schwangere Frauen und Kinder. Doch wir zogen eine Grenze, die wir bei der Wiedergabe dieses Massakers nicht ĂŒberschreiten wollten, und dies kommunizierten wir den KrahĂŽ auch so. Ăberraschenderweise waren sie damit gar nicht einverstanden: Sie wollten explizite Gewalt gefilmt haben, damit die Menschen sehen können, was passiert ist. Zum ersten Mal hatten wir da einen diskursiven und Ă€sthetischen Konflikt, fĂŒr den es keine Lösung gab.
RNM: FĂŒr uns war das nicht verhandelbar, und zum ersten Mal mussten wir als Regisseurin und Regisseur durchgreifen. Wir können ihnen behilflich sein, diese Erinnerungen in einem anderen Projekt aufzuzeichnen, aber nicht in unserem Film.
JS: Also versuchten wir, die Gewalt mehr im Ton wiederzugeben, mit Schreien und der ErzÀhlung, die auch sehr wuchtig ist. Eine verbalisierte Erinnerung des Grossvaters von HyjnÔ, zu der wir die passenden Bilder suchten.
Es ist ein Film des Widerstands, ein kĂ€mpferischer Film, wie ihr oft betont. Was ist euer Ziel damit? Ihr wart nun in Cannes und habt es damit an die Weltöffentlichkeit geschafft. War das immer ein Ziel von euch, oder ging und geht es euch vielmehr darum, ein Register an Bildern und Aufnahmen fĂŒr die KrahĂŽ selber herzustellen?
JS: FĂŒr mich ist schon die Ambition da, dass diese Filme kursieren sollten, wo auch immer das möglich ist. Das lernen wir auch aus dem aktuellen Kampf der brasilianischen indigenen Gemeinschaft: Es gibt ein gemeinsames VerstĂ€ndnis unter den Dörfern, dass es verschiedene Fronten im Kampf gibt. Da ist die institutionelle Front neben den Menschen, die vor Ort sind und den Wald verteidigen, die Wilderer vertreiben; AnwĂ€lt:innen, die in BrasĂlia die Verfassung verteidigen und die Artikel, die die Indigenen schĂŒtzen sollen, aber auch alliierte Non-Indigene wie wir selber, denen das Filmemachen erlaubt hat, Orte zu erreichen, an denen frĂŒher keine Filme mit Indigenen in den Hauptrollen gezeigt wurden. Den Film in Cannes zu zeigen, Verleiher in Frankreich, der Schweiz oder Argentinien zu finden, erlaubt es uns auch, dieses Privileg zu nutzen, um ihre Botschaften zu verbreiten und Bilder, die von den KrahĂŽ selber produziert wurden. Was ich an Cannes unglaublich finde, ist, dass wir dieselbe Leinwand in Anspruch nahmen, auf der zwei Stunden zuvor ein Film von Scorsese lief. Dann gibt es aber schon noch eine viel lokalere Dimension, die uns sehr gefĂ€llt: Unser erster Film zirkuliert inzwischen in Brasilien und auch sonst in Lateinamerika unter den Menschen, in Ă€hnlichen Dörfern. Die Leute schicken ihn einander ĂŒber Whatsapp, und der Protagonist des vorherigen Films ist nun weit ĂŒber sein Dorf hinaus berĂŒhmt.
Kommen wir zum Schluss noch auf die politische Situation zu sprechen: Hat sich die Zirkulation des Films mit der neuen Regierung denn vereinfacht, nachdem die Kultur politisch wieder etwas legitimiert ist? Und was bedeutet der Wechsel fĂŒr die Situation der Indigenen?
JS: Wir filmten in einer unglaublich schlimmen Zeit. Die vorherige Regierung hat von Anfang an klar kommuniziert: Wir sind hier, um zu eliminieren, was nicht zu unserer Lebensform passt. Die Menschen an den Urnen glaubten, das sei ein Witz, doch dem war nicht so. Man verherrlichte die Monokultur des Sojas, des weissen Menschen und so weiter. Wir filmten in der HochblĂŒte des Bolsonarismus, und wir wurden beinahe aus der Gemeinschaft vertrieben, weil die Enkel der damaligen Farmbesitzer Wind davon bekamen, dass wir das Massaker nachstellen wollten.
FĂŒr die KrahĂŽ war die Situation ziemlich kompliziert. WĂ€hrend der Pandemie sagte Bolsonaro zum Beispiel, dass sich in ein Krokodil verwandle, wer sich impfen lasse â das war das Niveau des Diskurses. Er liess die Nicht-Indigenen nicht mehr ins indigene Territorium reisen, aber das betraf natĂŒrlich nur NGOs, Ărztepersonal oder alliierte Personen wie uns, die hĂ€tten helfen können. Die Menschen, die Tiere stehlen oder Soja auf ihrem Land anpflanzen wollten, waren nicht davon betroffen. Eine evangelikale Sekte, allesamt ungeimpft, brachte das Covid zu den Indigenen, als sie bei ihnen missionieren wollte. Nach kurzer Zeit waren ganze Dörfer angesteckt. Ein gewisser Grad an Bedrohung war ja schon frĂŒher da, aber wenn ein solcher Diskurs vorherrscht von Seiten des PrĂ€sidenten, ermöglicht dies auch im Alltag Gewalt. Es fĂŒhrt zu einer vermeintlichen Straffreiheit fĂŒr all diejenigen, die sie frĂŒher schon ausgeĂŒbt haben, aber im Versteckten. Sie fĂŒhlen sich durch den Staat in ihren Taten legitimiert. Die neue Regierung muss gegen diesen Geist ankĂ€mpfen. Man sagt: Bolsonaro ist weg, aber der Bolsonarismus ist geblieben. Ich denke, es wird sehr lange dauern, bis sich dies wieder Ă€ndert. Aber natĂŒrlich sind die UmstĂ€nde heute deutlich besser als damals.
JoĂŁo Salaviza:
JoĂŁo Salaviza (1984) studied Cinema at the Lisbon Theater and Film School and at the Universidad del Cine in Buenos Aires. His first short film ARENA was awarded the Palme d'Or at Cannes (2009), followed by the Golden Bear for Short Films at the Berlinale for RAFA (2012). He also released the shortâŠ
Renée Nader Messora:
Renée Nader Messora (1979) graduated in Cinematography from the Universidad del Cine, in Buenos Aires.
For 15 years, she worked as an assistant director on several projects in Brazil, Argentina and Portugal, including MOUNTAIN, JoĂŁo Salaviza's first feature film. She photographed the short film POHâŠ
CrowrĂŁ â The Buriti Flower
Article published: 1. May 2024
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